BGH II ZB 13/14
Liquidation: Keine Fortsetzung einer durch Insolvenzeröffnung aufgelösten GmbH nach Schlussverteilung

06.10.2015

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
28.04.2015
II ZB 13/14
GmbHR 2015, 814

Leitsatz | BGH II ZB 13/14

Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst, kann sie nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen fortgesetzt werden.

Sachverhalt | BGH II ZB 13/14

Über das Vermögen der Beteiligten zu 1), eine im Handelsregister des AG Lübeck eingetragene GmbH, wurde durch Beschluss des AG Schwarzenbeck vom 01.04.2011 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet. Die Auflösung der Beteiligten zu 1) wurde von Amts wegen am 10.05.2011 in das Handelsregister eingetragen. Das Insolvenzverfahren wurde durch rechtskräftigen Beschluss des AG Schwarzenbeck vom 04.06.2013 gemäß § 200 InsO aufgehoben, nachdem die Schlussverteilung vollzogen worden war (Eintragung im Handelsregister am 08.07.2013). Mit dem 18.07.2013 hat der Beteiligte zu 2) als Geschäftsführer der Beteiligten zu 1) und alleiniger Gesellschafter eine ordnungsgemäße Gesellschafterversammlung abgehalten und die Fortsetzung der Beteiligten zu 1) beschlossen und am selben Tag mit notariell beglaubigter Erklärung unter Vorlage der Niederschrift über den Gesellschafterbeschluss die Fortsetzung der Gesellschaft beim Handelsregister angemeldet. Nach der Zurückweisung der Anmeldung durch das Registergericht, wurden auch die hiergegen gerichteten Beschwerden durch das OLG Schleswig zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten mittels der durch das OLG Schleswig zugelassenen Rechtsbeschwerden.

Entscheidung | BGH II ZB 13/14

Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.

Die Fortsetzung einer GmbH, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, kann nur in den Fällen des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG (Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Antrag der GmbH oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans, welcher den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht) beschlossen werden.

Der BGH schließt sich insoweit der in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur vertretenen herrschenden Auffassung an, wonach die Regelung des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG abschließend und einer analogen Anwendung nicht zugänglich ist. Begründet wird dies mit der Vergleichbarkeit zu § 274 Abs.2 Nr. 1 AktG zum alten Konkursrecht und der unterbliebenen Änderung trotz Möglichkeit dazu und der schon zu dieser umstrittenen Anwendung.

Einerseits regelt § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG die Auflösung der GmbH im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, andererseits ermöglich die Vorschrift zugleich aber auch ausdrücklich die Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft unter den bereits alternativ genannten Voraussetzungen. Im Gegensatz zum Wegfall des Insolvenzgrunds, zur Einstellung des Insolvenzverfahren mit Zustimmung der Gläubiger nach §§ 212, 213 InsO bzw. zur Beendigung des Insolvenzverfahrens durch einen Insolvenzplan, welche die für alle Beteiligten erkennbare Beseitigung der unternehmerischen Krise zur Folge haben, ist im Falle des Abschluss eines Insolvenzfahrens regelmäßig nicht zu erwarten, dass die GmbH noch über maßgebliches Vermögen verfügt, das eine Fortsetzung der Gesellschaft rechtfertigen könnte.

Auch wenn nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ein das satzungsmäßige Stammkapital übersteigendes Vermögen besteht, so fehlt bereits das Bedürfnis an einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, da der Weg des § 212 InsO wegen Wegfalls des Insolvenzgrunds beschritten werden kann. Verpassen die Beteiligten diesen Schritt, besteht kein Grund dafür, den gesetzlich festgelegten Anwendungsbereich über den Wortlaut hinaus zu erweitern. Darüber hinaus fände auch keine richterliche Überprüfung der Überwindung der Insolvenzreife statt; mithin würde dem maßgeblichen Gläubigerschutz nicht hinreichend Rechnung getragen.

Praxishinweis | BGH II ZB 13/14

Die Fortsetzung einer GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft kann nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen beschlossen werden. Auch, wenn nach Abschluss des Insolvenzverfahrens alle Gläubiger der Gesellschaft befriedigt wurden und noch das Stammkapital übersteigendes Vermögen vorhanden ist, bedarf die Fortsetzung der Gesellschaft – zum Schutz der neuen Gläubiger – einer gerichtlichen Überprüfung (siehe so in § 212 S. 2 InsO).

Zeichnet sich bereits während des laufenden Insolvenzverfahrens ab, dass alle Gläubiger befriedigt werden und danach noch das Stammkapital übersteigendes Vermögen in der Gesellschaft verbleibt, so kann die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Wegfalls des Insolvenzgrundes nach § 212 InsO herbeigeführt werden. Für eine Fortsetzung der Gesellschaft nach Abschluss des Insolvenzverfahrens in analoger Anwendung des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG besteht somit kein Anlass, da zuvor die Möglichkeit bestand, die Voraussetzungen herbeizuführen; mithin fehlt es bereits an der erforderlichen Regelungslücke.

Dient das Insolvenzverfahren der Sanierung der GmbH und nicht deren Auseinandersetzung empfiehlt es sich rechtzeitig die Fortsetzung in Betracht zu ziehen um dieser Möglichkeit nicht verlustig zu gehen – eine nachträgliche Fortsetzung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG hinaus scheidet nunmehr aus.