FG Düsseldorf 4 K 3087/14 Erb
Erbschaftsteuer ist, auch wenn die Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wird, keine Masseforderung

31.08.2015

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

FG Düsseldorf
19.03.2015
4 K 3087/14 Erb
BeckRS 2015, 94834

Leitsatz | FG Düsseldorf 4 K 3087/14 Erb

  1. Bei der nach Insolvenzverfahrenseröffnung entstandenen Erbschaftssteuer handelt es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 InsO, sondern um eine Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO. Insolvenzforderungen sind durch Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend zu machen. Ein gegenüber dem Insolvenzverwalter erlassener Steuerbescheid ist unwirksam.
  2. Zur Einordnung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit und zur Möglichkeit der Anmeldung der Erbschaftsteuer zur Insolvenzmasse.

Sachverhalt | FG Düsseldorf 4 K 3087/14 Erb

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des zukünftigen Erben, über dessen Vermögen am 14. April 2010 beim zuständigen Amtsgericht das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Erblasserin verstarb im Oktober 2010 und wurde ausweislich des Erbscheins und der Annahme durch den bereits insolventen Erben allein beerbt. Anschließend setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer auf 23.490,00 € fest. Unter Abänderung und teilweiser Minderung infolge Einspruchs durch den Kläger meldete der Beklagte die Forderung im Januar 2014 iHv. 17.490,00 € zur Insolvenztabelle an. Wenig später erließ der Beklagte einen Bescheid über Erbschaftsteuer in selber Höhe und gab diesen dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Erben bekannt und forderte den Kläger zur Zahlung auf. Der gegen diesen Bescheid durch den Kläger eingelegte Einspruch wurde durch den Beklagten im August 2014 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung erhob der Kläger Klage zum zuständigen Finanzgericht Düsseldorf.

Entscheidung | FG Düsseldorf 4 K 3087/14 Erb

Die Klage hatte Erfolg.

Der den Kläger zugestellte Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Bei der Erbschaftsteuer handelt es sich um keine Masseforderung im Sinne des § 55 Abs. 1 InsO, sondern um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO. Daher hätte die Forderung nur durch Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend gemacht werden können; ein gegenüber dem Insolvenzverwalter erlassener Steuerbescheid ist unwirksam.

Da die Erbschaftsteuer von Gesetzes wegen durch den Erbanfall gem. § 1922 BGB entsteht und die Annahme der Erbschaft ein dem Erben und Insolvenzschuldner zugeschriebenes höchstpersönliches Recht ist (siehe auch § 83 Abs. 1 S. 1 InsO), stellt sie keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar, die durch Handlung des Klägers als Insolvenzverwalter oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet wurde.

Ebenso passe Sinn und Zweck des § 55 Abs. 1 InsO nicht auf die Erbschaftsteuer, wonach die Einordnung als Masseverbindlichkeit der ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung und Verteilung der Insolvenzmasse diene und die durch Vorwegbefriedigung erfolgte Begünstigung der Massegläubiger es ermöglichen soll, dass Rechtsgeschäfte mit dem Insolvenzverwalter abgeschlossen werden und somit Leistungen zur Insolvenzmasse erbracht werden.

Darüber hinaus sei auch im Fall des Erbanfalls während des Insolvenzverfahrens nicht zwischen den Vermögensmassen sowie den Nachlass- und Eigengläubigern des Erben und Insolvenzschuldners zu unterscheiden. Denn mit den Nachlassverbindlichkeiten treffen auch die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen, mithin auch die Verbindlichkeiten nach § 1967 Abs. 2 BGB, den Erben als solchen und somit auch die Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit.

Praxishinweis | FG Düsseldorf 4 K 3087/14 Erb

Die Entscheidung des FG Düsseldorf steht im Widerspruch zur Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts (Urt. v. 12.07.2013 – 3 K 436/12) und wohl auch zu den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Urt. v. 05.10.2004 – VII R 69/03, bestätigt durch: BFH, Urt. v. 09.12.2014 – X R 12/12), wonach es für die Einordnung eines Steueranspruchs als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung darauf ankommt, ob zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war oder erst zu einem späteren Zeitpunkt.

In dem, dem Urteil des FG Düsseldorf zugrundeliegenden, Fall verstarb die Erblasserin erst 6 Monate nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des späteren Erben. Somit war die Erbschaftsteuer frühestens zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin begründet, gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und somit unzweifelhaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach der eindeutigen Regelung der §§ 38, 55 InsO wäre die Erbschaftsteuerforderung somit als Masseforderung einzuordnen gewesen (so auch Niedersächsisches FG).

Da das FG Düsseldorf die Revision zugelassen hat, bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof seine bisherige Rechtsprechung aufrecht erhält oder sich der Ansicht des FG Düsseldorf anschließt.