OLG Köln 3 U 165/13
Auslegung einer unauffindbaren letztwilligen Verfügung

07.08.2015

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Köln
01.04.2014
3 U 165/13
BeckRS 2014, 08904

Leitsatz | OLG Köln 3 U 165/13

Die Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments richtet sich nach § 133 BGB, es ist also mithilfe der üblichen Auslegungskriterien der wirkliche Wille der Erblasser zu erforschen. Nur soweit sich hierbei nicht klären lässt, von welchen Vorstellungen und Wünschen die Erblasser bei Errichtung ihres Testaments ausgegangen sind, kommt die Auslegungsregel des § 2269 BGB zum Tragen. Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des gemeinsamen Willens der Ehegatten. Dies gilt auch, wenn das Testament nicht auffindbar ist, dessen Existenz aber zur Überzeugung des Gerichts feststeht (Leitsatz der LSK-Redaktion, LSK 2014, 290484).

Sachverhalt | OLG Köln 3 U 165/13

Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute ist nicht mehr vorhanden. Nachdem der Ehemann 1994 verstarb, beantragte die Ehefrau 1999 einen Erbschein. In diesem Zusammenhang gaben die Ehefrau sowie die beiden Kinder der Eheleute Erklärungen ab, dass das Erbe zuerst alleine auf die Ehefrau übergehen soll, welche die Kinder jeweils zu ½ als Schlusserben einsetzt.

Im Jahr 2001 übertrug die Ehefrau die Eigentumswohnung der Eheleute auf ihren Sohn, unter der Maßgabe, dass die Eigentumsumschreibung erst nach ihrem Tod erfolgen sollte und sie zudem berechtigt sei, die Wohnung zu Lebzeiten zu verkaufen. 2009 verkauft die Frau mit notariellem Kaufvertrag die Eigentumswohnung für 60.000 € sowie weitgehenden Fürsorgeregelungen an ihre Tochter. Im gleichen Termin errichtete sie ein notarielles Testament, welches die Tochter als Alleinerbin ausweist.

2012 verstarb die Ehefrau.

Der Sohn sieht in dem Verkauf der Wohnung an seine Schwester eine seinen Erbteil beeinträchtigende Schenkung. Zudem sei seine Mutter aufgrund des heute nicht mehr existierenden gemeinschaftlichen Testaments nicht berechtigt gewesen, über die Wohnung zu verfügen.

Er klagte, gegen Zahlung von 30.000 € einen Miteigentumsanteil von ½ an der Wohnung zu erhalten und auf Zustimmung der Schwester zu einer entsprechenden Eintragung im Grundbuch.

Das LG wies die Klage ab. Hiergegen wehrte sich der Kläger durch Berufung.

Entscheidung | OLG Köln 3 U 165/13

Die Berufung blieb erfolglos.
Der Anspruch des Klägers ist nur dann begründet, wenn eine gemeinschaftliche letztwillige Verfügung getroffen wurde und nun die Schlusserben durch Handlungen der Vorerbin beeinträchtigt werden. Das OLG geht davon aus, dass die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament hatten und sich hierin auch gegenseitig als Erben eingesetzt hatten. Fraglich ist, inwieweit sie einer Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Nachlasses unterlag. Einziger Anhaltspunkt hierfür ist eine inhaltliche Zusammenfassung des Testaments durch die Mutter, welche der notariellen Urkunde zur Beantragung des Erbscheins 1999 angehängt war. Für diesen Fall relevant ist, ob die Ehefrau zu Lebzeiten über das gemeinsame Vermögen verfügen durfte. Hierfür sind die vorhandenen Informationen nach den Grundsätzen des § 133 BGB auszulegen und erst nachrangig nach den Regeln des § 2269 BGB. Aus dem Wortlaut der Aufzeichnungen der Ehefrau ergibt sich keine Verfügungsbeschränkung. Inhalt ist vielmehr, dass die beiden Kinder nach dem Tod des zweiten Ehegatten das übrige Vermögen jeweils zur Hälfte erben sollten. Auch die Erklärungen gegenüber dem Nachlassgericht zum Erbscheinsantrag der Mutter sprechen für diese Auslegung. Zudem gibt auch die Vereinbarung zwischen dem Sohn und der Mutter zur späteren Übertragung der Eigentumswohnung keinen Hinweis auf eine andere Sichtweise, da hier der Verkauf der Wohnung durch die Mutter jederzeit möglich war, ohne Regelungen zu treffen, die die späteren Erbteile der Kinder absicherten.

Auch eine Auslegung des Letzen Willens nach § 2269 BGB führt zu keinem anderen Ergebnis, da Sinn und Zweck des gemeinschaftlichen Testaments ist, zuerst den überlebenden Ehepartner als Alleinerben einzusetzen und ihm volle Verfügungsbefugnis über das gemeinsame Vermögen einzuräumen. Erst das nach dem Tod des später Versterbenden noch vorhandene Vermögen wird dann an die Schlusserben verteilt. Nach dieser Auslegung ergibt sich ebenfalls, dass die Mutter verfügungsbefugt war.

Demnach erscheint nur noch ein Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB möglich. Hierzu müsste es sich allerdings um eine Schenkung der Mutter an die Tochter mit der Absicht handeln, den Sohn in seinem Erbteil zu beeinträchtigen. Zwar könnte es sich hierbei tatsächlich um eine gemischte Schenkung handeln, das Merkmal des Missbrauchs wird jedoch nicht erfüllt. Dieser scheidet immer dann aus, wenn durch die Verfügung ein lebzeitiges Eigeninteresse gedeckt wird. Im Alter von einem nahen Verwandten betreut, versorgt und evtl. auch gepflegt zu werden, stellt ein solches Eigeninteresse dar. Die Fürsorgeregelungen im Kaufvertrag von 2009 spiegeln genau dies wider.

Die Ansprüche des Sohnes sind damit unbegründet.

Praxishinweis | OLG Köln 3 U 165/13

Dieses Urteil stellt klar, dass die Auslegung einer gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung vorrangig nach den allgemeinen Grundsätzen des § 133 BGB vorzunehmen ist. § 2269 BGB stellt dann eine weitere Hilfe dar, wenn die Vorstellungen des Erblassers nicht herauszufinden sind. Um das Verlorengehen eines derart wichtigen Schriftstückes zu vermeiden, sollte in der Beratungspraxis auf die Möglichkeit hingewiesen werden, das Testament bei Gericht zu hinterlegen. Seit der Reform des GNotKG ist eine Hinterlegung pauschal für 75 € möglich. Es bietet sich an, von dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen.