OLG München 31 Wx 22/14
Keine Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testamentes mit nur einer Unterschrift in ein Einzeltestament

06.08.2015

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
23.04.2014
31 Wx 22/14
NJW-RR 2014, 838

Leitsatz | OLG München 31 Wx 22/14

1. Die Umdeutung eines vom anderen Ehegatten nicht unterzeichneten gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament erfordert die Feststellung, dass nach dem Willen des Testierenden seine Verfügung auch unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten sollte.

2. Sieht das unvollständige gemeinschaftliche Testament eine gegenseitige Alleinerbeinsetzung und eine Schlusserbeneinsetzung von Verwandten beider Ehegatten zu gleichen Teilen vor, kann gegen einen solchen Willen sprechen, dass der Testierende selbst ohne den Beitritt des anderen Ehegatten nicht dessen Alleinerbe wäre und die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens bei Umdeutung in Vor- und Nacherbfolge nicht erreicht würde.

Sachverhalt | OLG München 31 Wx 22/14

Der Ehemann verstarb 2013, wobei die Ehe kinderlos blieb. Die Ehefrau lebt noch. Das Vermögen der Eheleute besteht im Wesentlichen aus einer Eigentumswohnung, die das Ehepaar 2006 bezog. Im Nachlass des Ehemannes befanden sich jeweils zwei Entwürfe eines gemeinschaftlichen, privatschriftlichen Testaments aus dem Mai 2011 und zwei aus dem Juni 2011. Die Schriftstücke sind inhaltsgleich und alle vom Erblasser unterzeichnet. Sie setzten den überlebenden Ehepartner als Alleinerben ein und als Schlusserben jeweils zu gleichen Teilen einen Verwandten des Ehemannes und einen Verwandten der Ehefrau. Zudem existieren zwei computergeschriebene Entwürfe von Beitrittserklärungen der Ehefrau zu dem gemeinschaftlichen Testament, welche sowohl datiert als auch unterschrieben sind.

Die Ehefrau beantragte nach dem Tod ihres Mannes einen Erbschein, der sie auf Grundlage der privatschriftlichen Verfügung als alleinige Vorerbin ausweisen sollte, mit den beiden Verwandten als Nacherben. Sie berief sich darauf, dass das als gemeinschaftliches Testament gedachte Schriftstück nun in ein Einzeltestament umzudeuten sei. Die Verwandte des Ehemannes widersprach dieser Ansicht. Das Nachlassgericht bewilligte den Erbschein. Gegen diesen Beschluss wehrte sich die Verwandte des Ehemannes durch Beschwerde.

Entscheidung | OLG München 31 Wx 22/14

Die Beschwerde ist erfolgreich.

Die letztwilligen Verfügungen aus 2011 können nicht ohne weiteres als Einzeltestament des Erblassers umgedeutet werden, sie sind als Entwürfe zu werten. Nur wenn auch festzustellen ist, dass der Erblasser auch ohne die Beteiligung seines Ehepartners inhaltsgleich verfügen wollte und die Wirkung dieser Verfügung auch sofort mit Unterschrift eintreten sollte, kann diese Willenserklärung als Einzeltestament verstanden werden.

Schon die Tatsache, dass mehrere Entwürfe existieren, die aber inhaltsgleich sind, spricht gegen die Annahme, er hätte auch alleine inhaltsgleich verfügt. Hierzu hätte das Aufstellen eines einzigen Schriftstücks ausgereicht. Auch aus dem Inhalt des Testamentes ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Erblasser dieses auch als eigene letztwillige Verfügung verstanden hat. Zudem sprechen praktische Gründe dagegen. Da die gemeinsame Eigentumswohnung einziger wesentlicher Bestandteil der Erbmasse ist, muss der überlebende Ehepartner zwangsläufig ausziehen und die Wohnung verkaufen, um die Ansprüche der gesetzlichen Erben zu befriedigen. Dies umgeht man nur durch die Gestaltung eines Berliner Testaments, wie auch durch den Ehemann entworfen. Diese Absicherung nun lediglich seiner Frau zukommen lassen zu wollen, ohne selbst in ihrem Sterbefall davon zu profitieren, erscheint als höchst unlogisch. Zudem sollte die Verwandtschaft unabhängig davon, welcher Ehepartner früher verstirbt, gleichmäßig bedacht werden, was die Schlusserbeneinsetzung von beiden Verwandtschaftsseiten zu je ½ zeigt.

Demnach ist der Beurteilung des Nachlassgerichts nicht zu folgen. Da der Entwurf des gemeinschaftlichen Testaments nicht in ein Einzeltestament umgedeutet werden kann, greift für den Nachlass des Ehemannes die gesetzliche Erbfolge.

Praxishinweis | OLG München 31 Wx 22/14

Diese sehr konsequente Rechtsprechung zeigt, wie schnell sich formale Probleme bei einem privatschriftlichen Testament ergeben können und welch‘ schwerwiegende Auswirkungen sie haben. Umso wichtiger ist es, in der Beratungspraxis einerseits auf diese sehr grundlegenden Voraussetzungen für eine wirksame letztwillige Verfügung aufmerksam zu machen, andererseits auf die Möglichkeit eines notariellen Testaments bei entsprechender Beratung hinzuweisen.