OLG Bamberg 7 UF 361/13
Zur Verwirkung des Trennungsunterhalts bei langjähriger Trennung von Ehegatten

29.05.2015

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Bamberg
13.05.2014
7 UF 361/13
RNotZ 2015, 170

Leitsatz | OLG Bamberg 7 UF 361/13

Leben die Ehegatten mehr als zehn Jahre getrennt, ist der Trennungsunterhalt gem. § 1579 Nr. 8 BGB zu versagen, weil angesichts der langen Dauer der Trennung der Gesichtspunkt der ehelichen Solidarität nicht mehr eingreift.

Sachverhalt | OLG Bamberg 7 UF 361/13

Die seit 1975 verheirateten und ungeschiedenen Parteien leben unbestritten seit mehr als 10 Jahren getrennt. Der Antragssteller bezieht durch seine volle Erwerbsminderung eine Rente i.H.v. 308,14 €.

Der Antragssteller beantragt die Antragsgegnerin zu einem Getrenntlebensunterhalt i.H.v. 943 € monatlich und rückwirkend i.H.v. 12.259 € zu verpflichten.

Erstinstanzlich wurde der Getrenntlebensunterhalt mit Verweis auf die langjährige Trennung abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsstellers.


Entscheidung | OLG Bamberg 7 UF 361/13

Die gem. § 58 FamFG zulässige Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Antragssteller hat keinen Anspruch auf einen Trennungsunterhalt gem. § 1361 BGB. Dieser Anspruch ist aufgrund der langjährigen Trennungsdauer von über 10 Jahren verwirkt.

Auf entsprechende Einlassungen des Antragsstellers betreffend seine nicht nachgewiesene Bedürftigkeit und ggf. wirtschaftliche Schädigungen in der Vergangenheit durch die Antragsgegnerin kommt es nicht an, so das Beschwerdegericht.

Einzig ausschlaggebend ist die von den Parteien unbestrittene langjährige Trennung. Durch diese lange Trennungszeit kann die dem Trennungsunterhalt zu Grunde liegende eheliche Solidarität als verwirkt angesehen werden nach § 1579 Nr. 8 BGB. Auf weitere Verwirkungsgründe, wie die Lebenspartnerschaft des Antragsstellers zu einer anderen Frau, kommt es ebenfalls nicht mehr an.


Praxishinweis | OLG Bamberg 7 UF 361/13

Regelmäßig sind bei der Verwirkung der Unterhaltsansprüche die Auswirkungen auf das Kindeswohl in Verhältnis zu den Verwirkungsgründen des § 1578 BGB zu prüfen. Im vorliegenden Fall ist dies durch die Volljährigkeit der gemeinsamen Kinder obsolet.

Das Oberlandesgericht sieht von einer schulbuchmäßigen Prüfung ab, nach dieser vor der Verwirkungsprüfung erst noch die Bedürftigkeit des Antragsstellers festgestellt werden müsste. Das OLG führt die Bedürftigkeitsprüfung jedoch nicht weiter aus, sondern stellt zu dieser nur fest, dass der Antragssteller durch die vorgelegten Dokumente seine Bedürftigkeit nicht zweifelsfrei nachweisen könnte. Sodann beginnt das OLG zur Verwirkungsprüfung nach § 1578 Nr. 8 BGB.

Das Oberlandesgericht stellt fest, dass die Verwirkung des Trennungsunterhaltes durch ein langjähriges Getrenntleben der Parteien einen Verwirkungsgrund nach § 1578 Nr. 8 BGB darstellt.

Erstaunlich ist das Urteil, da die bisherige Rechtsprechung (OLG Hamm, vom 01. 12. 1989 – 12 UF 359/88) die Mindestdauer des Unterhalts an die Ehedauer koppelt und nur bei schwerwiegenden Eingriffen in die eheliche Solidarität Kürzungen zulässt. Zwar liegt der Fall bei einer Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach über 10 jähriger Trennungszeit etwas anders. Sicherlich sind die Fälle aber zumindest vergleichbar, da in der Begründung mit der Reduzierung auf die „fehlende eheliche Solidarität“ sicherlich kein Unterschied der Solidarität bei Getrenntlebenden und Geschiedenen besteht.

Der vom OLG Hamm aufgestellte Grundsatz, dass sich die Bemessungszeit des Unterhalts an der Ehedauer orientiert (vorbehaltlich dem Einzelfall) erscheint pragmatisch. Das leuchtet vor dem Hintergrund, dass die (ehemaligen) Eheleute, einer bspw. 30-jährigen Ehe, den Hauptteil ihres Lebens miteinander verbracht haben und dadurch regelmäßig eine erhöhte Solidarität für einander aufbringen, ein. Eine starre Grenze hingegen erscheint dem konkreten Einzelfall wenig dienlich.

Ob nun durch die Kopplung der Unterhaltsdauer an die Ehedauer die Verhältnismäßigkeit wahrt, in dem Beispiel beträgt die Unterhaltsdauer immerhin dann 30 Jahre, sollte dringend vom BGH entschieden werden.

Im vorliegenden Fall geht das OLG Bamberg einen anderen Weg und bewertet in Kenntnis der Entscheidung des OLG Hamm die über 10-Jährige Trennungszeit, trotz einer fast 30-Jährigen Ehe, als ausreichend, um die Verwirkung gem. § 1578 Nr. 8 BGB anzuerkennen.

Somit schafft das Urteil neben verschiedenen anderen Ausschlusstatbeständen wie bspw. die Teilhabe am Splittingvorteil zum Nachteil des neuen Ehegatten (BGH NJW 85, 2268); die unterlassene Wiederheirat zur Erhaltung des Unterhaltsanspruchs (BGH NJW 84, 2692); Verschweigen der Scheinehelichkeit eines Kindes (BGH NJW 85, 428); Anzeige bei der StaSi (OLG Köln NJW-RR 86, 686); einverständlich unterbliebenes Zusammenleben (BGH NJW-RR 94, 644), einen neuen Verwirkungstatbestand bei Getrenntlebenden nach § 1361 i:V.m. § 1579 Nr.8 BGB.