BGH V ZR 181/13
Keine Verwirkung der Beseitigungsansprüche nach § 1004 BGB durch jahrelange Duldung der Grundstücksnutzung

04.12.2014

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
16.05.2014
V ZR 181/13
DNotZ 2014, 687

Leitsatz | BGH V ZR 181/13

Ein Eigentümer, der die Inanspruchnahme seines Grundstücks durch einen Nachbarn (hier: durch unterirdisch verlegte Leitungen) jahrzehntelang gestattet hat, verliert hierdurch nicht das Recht, die Gestattung zu widerrufen und anschließend seine Ansprüche aus § 1004 BGB geltend zu machen.

Sachverhalt | BGH V ZR 181/13

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die alle entlang eines Wirtschaftswegs liegen. In dem Wirtschaftsweg verläuft das Stromkabel des Elektrizitätsunternehmens, auf dem Weg befindet sich ein Sicherungskasten.

1979 wurden von den damaligen Eigentümern der Grundstücke der heutigen Beklagten in Eigenregie Anschlussleitungen durch das Grundstück der Klägerin verlegt. Dies geschah mit dem Einverständnis des damaligen Grundstückinhabers, eine dingliche Absicherung der Inanspruchnahme des Grundstücks erfolgte jedoch nicht.

Weder im Grundstückskaufvertrag der Beklagten noch im Grundstückskaufvertrag der Klägerin wird die Lage der Anschlussleitungen erwähnt. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit die Grundstücke auch ohne Durchleitung des Grundstücks der Klägerin am Stromnetz anzuschließen, eine Duldungspflicht aus Anschlussrecht des Elektrizitätsunternehmens oder Notleitungsrecht der Nachbarn liegt insoweit nicht vor.

Im Rahmen der Revision wehren sich die Beklagten gegen den hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin, welchem vom LG stattgegeben wurde, die Störung selbst beseitigen zu dürfen.

Entscheidung | BGH V ZR 181/13

Gemäß dem BGH ist das Landgericht vorliegend zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin zwar ihren Beseitigungsanspruch gegen die Störer (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB) wegen des Eintritts der Verjährung nicht mehr durchsetzen kann, sie ist aber weiterhin berechtigt, die Störung ihres Eigentums auf eigene Kosten zu beseitigen. Die Verjährung des Beseitigungsanspruchs begründet nicht gleichzeitig ein Recht des Störers auf Duldung nach § 1004 Abs. 2 BGB. Der Eigentümer ist vielmehr aufgrund seiner Befugnisse aus § 903 Satz 1 BGB berechtigt, die Beeinträchtigung seines Eigentums durch Entfernung des störenden Gegenstands von seinem Grundstück zu beseitigen.

Andernfalls entstünde eine aus dem Grundbuch nicht ersichtliche, dauernde quasi dingliche Belastung, die dem BGB fremd ist. Eine Duldungspflicht aus Gesetz oder schuldrechtlicher Verpflichtung wird verneint. Auch die Gestattung der Leitungsverlegung durch den Voreigentümer bindet die neue Eigentümerin nicht. Aus dem geschlossenen Kaufvertrag geht ebenfalls keine Verpflichtung zur Duldung der Anschlussleitungen hervor. Selbst die Kenntnis des Käufers von einer Beeinträchtigung der Sache durch einen Dritten begründet keine Verpflichtung, die Störung nach dem Erwerb des Eigentums zu dulden.

Der Eigentümer verwirkt seine Ansprüche aus dem Eigentum nicht, wenn er Störungen gegenüber so lange untätig bleibt, wie sie sich ihm gegenüber als rechtmäßig darstellen. Obwohl der Vorbesitzer des Grundstücks, dessen Nutzung jahrzehntelang gestattete, verlor auch er nie das Recht, die Gestattung zu widerrufen und anschließend seine Ansprüche aus § 1004 BGB geltend zu machen. Vielmehr muss der Nutzer damit rechnen, dass seine (bloß schuldrechtliche) Nutzungsbefugnis enden kann und der Eigentümer dann Unterlassung bzw. Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen wird. Eine Verwirkung der Eigentümerrechte während der Besitzzeit der Klägerin, die alsbald nach dem Erwerb des Grundstücks die Beseitigung der Leitungen verlangt hat, schließt das Berufungsgericht zu Recht aus.

Praxishinweis | BGH V ZR 181/13

Diese Entscheidung verdeutlicht noch einmal, wie wichtig es ist, jegliche an einem fremden Grundstück eingeräumte Rechte dinglich, also durch Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch, abzusichern. Es ist ratsam schon bei bestehendem Kaufinteresse an einem Grundstück mit den Eigentümern abzuklären ob Rechte an den Nachbargrundstücken zu ihren Gunsten bestehen und, falls noch nicht geschehen, auf die entsprechende Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch hinzuwirken. Auf eine schuldrechtliche Vereinbarung alleine ist, trotz jahrelanger Nutzung kein Verlass, wie dieser Fall anschaulich beweist.