BGH II ZR 53/12
Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung auch in der Liquidation

19.05.2014

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
10.12.2013
II ZR 53/12
NZG 2014, 264

Leitsatz | BGH II ZR 53/12

Die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugrünung finden auch in der Liquidation der Gesellschaft Anwendung.

Sachverhalt | BGH II ZR 53/12

Im Streitfall nahm der Insolvenzverwalter der H-GmbH die alleinige Gesellschafterin auf Unterbilanzhaftung in Anspruch. Die H-GmbH befand sich ab Ende 2004 in Liquidation. Das Personal und die Geschäftsräume wurde von einer neben der GmbH bestehenden Einzelfirma übernommen. Im Jahr 2005 ruhte der Geschäftsbetrieb. Anfang April 2006 wurde der Geschäftsbetrieb – Abwicklung des Schnäppchenverkaufs der Einzelfirma – wieder aufgenommen. Der Alleingesellschafter übertrug im Mai 2006 bei gleichzeitiger Umfirmierung alle Gesellschaftsanteile an seine Ehefrau. Die Beklagte behauptet, die GmbH habe sich wegen der geplanten Umorganisation 1 Jahr (2005) vom Markt zurückgezogen, um dann wieder im gleichen Geschäftsfeld tätig zu werden.

Entscheidung | BGH II ZR 53/12

Der BGH bestätigt in seiner Entscheidung vom 10.12.2013 die Anwendung der Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung auch in der Liquidation einer GmbH. Die mit der wirtschaftlichen Neugründung verbundenen Probleme eines wirksamen Gläubigerschutzes bestehen sowohl bei der „Wiederbelebung“ eines durch das Einschlafenlassen des Geschäftsbetriebs zur leeren Hülse gewordenen Mantels durch Ausstattung mit einem (neuen) Unternehmen als auch im Zusammenhang mit der Verwendung des leeren Mantels einer Abwicklungsgesellschaft, deren Abwicklung nicht weiter betrieben wurde. In beiden Fällen besteht die Gefahr einer Umgehung der Gründungsvorschriften mit der Folge, dass die gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Kapitalausstattung bei Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht gewährleistet ist.

Dennoch hat der BGH das angefochtene Urteil aus zwei Gründen aufgehoben: Zum einen hafteten die Gesellschafter nur, wenn und soweit in dem Zeitpunkt, in dem die wirtschaftliche Neugründung entweder durch Anmeldung der Satzungsänderungen oder durch die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erstmals nach außen in Erscheinung tritt, eine Unterbilanz besteht. Zum anderen lasse das Urteil nicht erkennen, ob die GmbH im Zeitpunkt der Fortsetzung eine „leere Hülse“ im Sinne der Senatsrechtsprechung gewesen ist. Denn Grundsätze zur Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung durch eine Mantelverwendung von der (bloßen) Umorganisation oder Sanierung einer (noch) aktiven GmbH bedürfen für den Fall der wirtschaftlichen Neugründung in der Liquidation der Anpassung. Allein die mit der Fortführung beabsichtigte Zweckänderung von einer Abwicklung hin zu einer werbenden Gesellschaft ist als solche keine wirtschaftliche Neugründung, weil die aufgelöste Gesellschaft nicht per se ein unternehmensleerer Mantel ist. Dass während der Liquidation Geschäfte allenfalls noch im Rahmen des Abwicklungszwecks betrieben werden (vgl. § 70 S. 1 u. 2 GmbHG) und nach Beendigung der laufenden Geschäfte mit der weiteren Abwicklung die nach außen gerichtete Ge-schäftstätigkeit zum Erliegen kommt, reicht zur Annahme einer leeren Hülse nicht aus. Insofern ist eine Parallele zu den Vorbereitungshandlungen der Aufnahme ihrer nach außen gerichteten Geschäftstätigkeit für den Zeitraum nach Gründung einer GmbH zu ziehen. Die eine „leere Hülse“ und damit die Anwendung der Regeln der wirtschaftlichen Neugründung ausschließende andauernde aktive unternehmerische Tätigkeit ist nicht stets mit dem dem Unternehmensgegenstand entsprechenden operativen Geschäft gleichzusetzen, sondern hat insbesondere in der Anlauf- und in der Abwicklungsphase einer Gesellschaft einen der besonderen Unternehmenstätigkeit in diesem Zeitraum entsprechenden anderen Inhalt. In der Abwicklungsphase ist darauf abzustellen, ob noch nennenswerte Liquidationsaufgaben i.S.d. § 70 GmbHG wahrgenommen werden, die auf den Schluss der Liquidation zusteuern, oder ob die Abwicklung über längere Zeit nicht mehr betrieben wurde und deshalb vom Vorliegen eines leeren Gesellschaftsmantels ohne Geschäftsbetrieb auszugehen ist.

Praxishinweis | BGH II ZR 53/12

Mit vorstehendem Urteil konkretisiert der BGH die Abgrenzung zwischen wirt-schaftlicher Neugründung und (bloßer) Umorganisation oder Sanierung im Rahmen der Liquidation: Allein die mit der Fortführung beabsichtigte Zweckänderung von einer Abwicklungsgesellschaft zu einer werbenden Gesellschaft sei keine Neugrün-dung. Vielmehr sei in der Abwicklungsphase darauf abzustellen, ob noch nennens-werte Liquidationsaufgaben gemäß § 70 GmbHG wahrgenommen werden oder ob die Abwicklung über längere Zeit bereits nicht mehr betrieben wurde.