BAG 5 AZR 253/09
(Fremd-) Geschäftsführer als „Verbraucher“ beim Abschluss des Geschäftsführervertrages

06.12.2010

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BAG
19.05.2010
5 AZR 253/09
NJW 2010, 2

Leitsatz | BAG 5 AZR 253/09

  1. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH handelt bei Abschluss seines Anstellungsvertrags als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB.
  2. Die Möglichkeit der Einflussnahme i.S.v. § 310 Abs. Nr. 2 BGB setzt voraus, dass der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner erkennbar Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt.

Sachverhalt | BAG 5 AZR 253/09

Der Kläger war als Fremdgeschäftsführer bei der beklagten X-GmbH angestellt. Er hatte gegen eine außerordentliche Kündigung fristgerecht Klage erhoben und Vergütungsansprüche geltend gemacht. Das LAG gab der Klage insoweit statt, als die Kündigung rechtswidrig war. Der Zahlungsanspruch wurde abgewiesen. In Bezug auf die noch ausstehenden Verzugslohnansprüche vertrat die Beklagte die Ansicht, der Kläger habe es versäumt, diese Ansprüche rechtzeitig gerichtlich geltend zu machen. Sie verwies dabei auf eine vertraglich vereinbarte zweistufige Verfallklausel, wonach Ansprüche aus dem Dienstvertrag innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich und innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung durch die andere Vertragspartei gerichtlich geltend zu machen sind.

Entscheidung | BAG 5 AZR 253/09

Die Revision des Klägers hatte Erfolge. Das BAG war der Auffassung, dass die Ansprüche des Klägers nicht verfallen seien. In seinem Urteil vom 19. 3. 2008 (NZA 2008, 757) hatte das BAG für einen Arbeitnehmer entschieden, dass die Erhebung einer Kündigungsschutzklage genüge, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern.

Das BAG ist der Ansicht, dass diese Auslegungsregeln für allgemeine Geschäftsbedingungen auf Fremdgeschäftsführer ebenfalls anwendbar seien. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH sei beim Abschluss seines Anstellungsvertrags, ebenso als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB zu qualifizieren, wie ein („normaler“) Arbeitnehmer. Der Fremdgeschäftsführer übe keine selbstständige, sondern eine angestellte Tätigkeit aus, da er im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft tätig sei und im Innenverhältnis den Weisungen der Gesellschafter unterliege. Der Kläger habe im vorliegenden Fall keine Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Vertragsklausel gem. § 310 Absatz 3 Nr. 2 BGB gehabt. Bei der Verfallklausel handele es sich damit um eine vorformulierte Vertragsbedingung, die der AGB-Kontrolle unterliege.

Praxishinweis | BAG 5 AZR 253/09

Schon 2007 hat der BGH den Geschäftsführer für Verbraucherkreditgeschäfte als Verbraucher eingestuft (vgl. BGH vom 24. 7. 2007 – XI ZR 208/06 (OLG Düsseldorf), NZG 2007, 820). Dieser Entscheidung schließt sich das BAG nunmehr für den Abschluss von Anstellungsverträgen an. Damit ist die bislang streitige Frage, ob für die Auslegung des Anstellungsvertrags eines Fremdgeschäftsführers die verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 305 ff. BGB Anwendung finden geklärt.

Für die Praxis ist daher darauf hinzuweisen, dass Anstellungsverträge mit Fremdgeschäftsführern nunmehr praktisch immer als Verbraucherverträge zu betrachten sind. Dem Arbeitgeber wird es schwer fallen, zu beweisen, dass die einzelnen Vertragsbestandteile während der Vertragsverhandlungen zur „ernsthaften Disposition” standen.

Verfallklauseln, Koppelungsklauseln, Vertragsstrafen und Freistellungsklauseln werden daher in Zukunft dem AGB-Prüfungsmaßstab standhalten müssen.

Dabei wird die existierende Rechtsprechung des BAG zur Klauselkontrolle bei Arbeitsverträgen auch auf Geschäftsführerverträge anwendbar sein.