KG 14 U 20/08
Treuepflichten der Gesellschafter bei der Sanierung notleidender Immobilienfonds – Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung zu „Sanieren oder Ausscheid

29.11.2010

Leitsatz | KG 14 U 20/08


Sachverhalt | KG 14 U 20/08

Ausgangspunkt der hier vorliegenden Entscheidung ist die Tatsache, dass insbesondere Immobilienfondsgesellschaften in der eingetretenen finanziellen Schieflage versuchen, „frisches“ Geld von den Anlegern zu erhalten, um das Projekt an das „rettende Ufer“ zu bringen, die Geldgeber sich aber weigern, diesen Weg zu beschreiten und sich auch nicht durch das Verhalten anderer Anleger dazu bewegen lassen, ihren Widerstand aufzugeben. Hierbei hatten sie in der Vergangenheit oft die Rechtsprechung des BGH auf ihrer Seite, weil dieser die Regeln der nicht sorgfältig gestalteten Gesellschaftsverträge über die Pflicht, Nachschüsse zu leisten, nicht anerkannte. Der BGH hat in der jüngeren Vergangenheit das im Anschluss an Wiedemann so genannte mitgliedschaftliche Grundrecht des § 707 BGB, nach dem niemand gegen seinen Willen zu einer Beitragsvermehrung gezwungen werden kann, aus der Vergessenheit hervorholen (Vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 25.5.2009 II ZR 259/07, DStR 2009, 1545 Tz. 17 m.w.Nachw.). Danach kann eine Nachschusspflicht nicht durch eine einfache gesellschaftsvertragliche Regelung mit einem Mehrheitsbeschluss begründet werden. Vielmehr bedarf der Anspruch auf Nachschuss grds. der individuellen (sei es auch antizipierten) Zustimmung des betroffenen Gesellschafters. Dies hatte in allen zuletzt entschiedenen Fällen zur Folge, dass die auf Nachschusszahlungen gegründete Rettungsaktion ihren Erfolg verfehlte und die Fondsmanager andere Lösungen entwickeln mussten.

Entscheidung | KG 14 U 20/08

Diese durch § 707 BGB gebildete Sperrwirkung darf allerdings nicht dahin gehende missverstanden werden, als stelle sie ihnen ein Freibrief aus, sich jedweder – über die geleisteten und in der Folgezeit verlorenen Beiträge hinaus – finanziellen Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und ihren Gläubigern entziehen zu dürfen. Denn die genannte Sperre greift nicht, wenn es um die Verlusttragungspflicht beim Ausscheiden aus einer Personengesellschaft oder bei deren Liquidation geht (§ 735 BGB). Ebenso wenig kann der Gedanke des Verbots einer Beitragsvermehrung ohne Zustimmung der Betroffenen ins Feld geführt werden, wenn über das Wiederaufleben ihrer Haftung gegenüber den Gläubigern nach § 172 HGB zu befinden ist, weil Mittel ausgeschüttet worden sind, obwohl die Hafteinlage dadurch unter den festgesetzten Betrag – u.U. weiter – herabgemindert worden ist.

Der Bundesgerichtshof hat mit einem Urteil vom 19.10.2009 (NJW 2010, 65) auf anderem Wege die Sanierung geschlossener Immobilienfonds erleichtert. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds in Form einer GmbH & Co. OHG, ist wie eine Vielzahl derartiger Fonds in Berlin wegen des Fortfalls von Fördermitteln und der Situation auf dem Berliner Mietmarkt in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Ein im Jahre 2002 eingeholtes Sanierungsgutachten bescheinigte der Klägerin jedoch ihre grundsätzliche Sanierungsfähigkeit. Für die dazu mit den Gläubigerbanken zu schließende Sanierungsvereinbarung war auf Seiten der Klägerin u.a. erforderlich, dass ihre Gesellschafter neues Kapital aufbrachten.

Zwecks Umsetzung der Sanierungspläne beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin im Oktober 2002 mit der nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen ¾ Mehrheit der Stimmen eine Kapitalherabsetzung um 99,9% und gleichzeitig die Erhöhung des Eigenkapitals um ca. 4,6 Mio. Euro. Die Übernahme des Neukapitals war den Gesellschaftern freigestellt. Allerdings hatte eine gleichzeitig beschlossene Änderung des Gesellschaftsvertrages zur Folge, dass diejenigen Gesellschafter, die sich nicht bis zum 31. Dezember 2003 verbindlich an der Kapitalerhöhung beteiligten, zu diesem Stichtag aus der Gesellschaft ausschieden, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Gesellschaft bedurfte. Zwei der vier Beklagten stimmten für diese Änderungen des Gesellschaftsvertrages, die beiden anderen stimmten nicht zu.

Keiner der vier Beklagten hat sich bis zum Stichtag an der Kapitalerhöhung beteiligt. Die Klägerin meint, die Beklagten seien Ende 2003 als Gesellschafter ausgeschieden und verlangt von ihnen Zahlung des auf diesen Stichtag ermittelten, ihrer jeweiligen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen entsprechenden sog. negativen Auseinandersetzungsguthabens, also Begleichung des auf sie jeweils entfallenden Verlustanteils. Die Klage war in beiden Instanzen erfolglos, da nach Ansicht von Land- und Kammergericht die Beklagten weiterhin Gesellschafter der Klägerin sind. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen die Ansicht vertreten, der Gesellschafterbeschluss über das Ausscheiden im Falle der Weigerung, sich durch Zuführung neuen Kapitals an der Sanierung zu beteiligen, sei unwirksam. Es handele sich bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages um eine „mittelbare Nachschussverpflichtung“, die zu ihrer Wirksamkeit nach § 707 BGB der Zustimmung aller Gesellschafter der Klägerin bedurft hätte. Da es daran fehle, seien auch die beiden Beklagten, die zugestimmt hätten, nicht an den Beschluss gebunden.

Auf die – von ihm zugelassene – Revision der Klägerin hat der II. Zivilsenat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Senat hat entschieden, dass die beiden Beklagten, die den Gesellschafterbeschlüssen zugestimmt haben, an ihre Zustimmung gebunden sind mit der Folge, dass die Beschlüsse ihnen gegenüber wirksam sind. Denn es war weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass diese Beklagten ihre Zustimmung davon abhängig gemacht haben, dass sämtliche Gesellschafter der Klägerin den Änderungen des Gesellschaftsvertrages zustimmen.
Aber auch gegenüber den beiden anderen Beklagten geht die Klägerin zu Recht von der Wirksamkeit des Beschlusses mit der Folge des Ausscheidens aus der Gesellschaft aus, weil beide Beklagten in der hier vorliegenden Sanierungssituation aus gesellschafterlicher Treuepflicht zur Zustimmung zu der Regelung über das Ausscheiden als Gesellschafter im Falle der Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung verpflichtet waren. Zwar kann grundsätzlich kein Gesellschafter, der seinen nach dem Gesellschaftsvertrag geschuldeten Beitrag geleistet hat, – wie der II. Zivilsenat in ständiger Rechtsprechung entscheidet – gegen seinen Willen zu weiteren finanziellen Beiträgen zum Erreichen des Gesellschaftszwecks gezwungen werden. Dies gilt insbesondere in Sanierungssituationen, die stets die Gefahr des Scheiterns und damit des Verlustes des neu zugeführten Kapitals bergen. Andererseits ist es den Gesellschaftern, die die Chance einer Sanierung ergreifen wollen und deshalb bereit sind, der Gesellschaft weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, nicht notwendigerweise zuzumuten, den erhofften künftigen Sanierungserfolg mit den Gesellschaftern teilen zu müssen, die dazu nichts – nicht einmal in Gestalt des sofort zu leistenden Verlustanteils – beitragen wollen. Ebenso wenig können die Gesellschafter, die nichts mehr in die Gesellschaft investieren wollen, die sanierungsbereiten Mitgesellschafter stets auf den Weg der Liquidation mit den damit durchgängig verbundenen Zerschlagungsverlusten verweisen. In diesen Fällen kann es die gesellschafterliche Treupflicht den zahlungsunwilligen oder zahlungsunfähigen Gesellschaftern gebieten, aus der Gesellschaft auszuscheiden und die Folgen – sofortiger Ausgleich des „negativen Auseinandersetzungsguthabens“ – zu tragen.

Diese Voraussetzungen hat der Senat im zu entscheidenden Fall als erfüllt angesehen. Die Klägerin hätte zwingend liquidiert werden müssen, wenn sich nicht der ganz überwiegende Teil der Gesellschafter bereit gefunden hätte, weitere Gelder an die Gesellschaft zu zahlen, weil nur dadurch die Kreditgeber ihrerseits veranlasst werden konnten, auf einen nicht unerheblichen Teil ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft zu verzichten. Für den Fall des Erfolgs dieses Sanierungsplans hätten die nicht zahlungsbereiten Gesellschafter hiervon ohne eigenen finanziellen Aufwand und damit auf Kosten der risikobereiten Gesellschafter profitiert. Ein derartig unausgewogenes Verhältnis ist den finanzierenden Gesellschaftern jedenfalls dann nicht zumutbar, wenn der zahlungsunwillige Gesellschafter, wie im vorliegenden Fall, durch sein Ausscheiden nicht nur nicht schlechter, sondern sogar deutlich besser gestellt wird, als er stehen würde, wenn die Gesellschaft liquidiert worden wäre und er den dabei auf ihn entfallenden anteiligen Verlust zu tragen hätte.

An diese Rechtsprechung des BGH hat das KG in einem Urteil vom 27.04.2010 (BeckRS 2010, 15530; dazu Boll, GWR 2010, 400) angeknüpft und entschieden, dass die Gesellschafter, die nicht bereit sind, einen Beitrag zur Sanierung der Gesellschaft zu leisten, aus ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht heraus jedenfalls dann verpflichtet sind, dem erforderlichen Gesellschafterbeschluss zuzustimmen, wenn sie infolge ihrer mit dem Ausscheiden verbundenen Pflicht, den auf sie entfallenden Auseinandersetzungsfehlbetrag zu leisten, finanziell nicht schlechter stehen als sie stünden, wenn die Gesellschaft sofort liquidiert werden würde.

Praxishinweis | KG 14 U 20/08