BGH VIII ZR 388/12
Vertragsbindung von bis zu 13 Jahren auf Wunsch des Mieters

07.02.2014

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
10.07.2013
VIII ZR 388/12
NJW 2013, 2820

Leitsatz | BGH VIII ZR 388/12

  1. Zur ergänzenden Vertragsauslegung im Falle der Unwirksamkeit einer Befristung des Mietvertrags.
  2. Das Eigentumsgrundrecht des Vermieters wird nicht tangiert, wenn er sich auf den vom Mieter während der Vertragsverhandlungen geäußerten Wunsch nach einer Vertragsbindung von bis zu 13 Jahren einlässt. Dabei ist ohne Bedeutung, dass die Vertragsparteien das gemeinsame Ziel einer langfristigen Vertragsbindung über eine unwirksame Vertragsgestaltung (hier: Befristung des Mietvertrags mit zweimaliger Verlängerungsoption des Mieters statt einem Kündigungsverzicht – Befristung von privaten Mietverhältnissen nach §575 BGB generell unzulässig – Abhilfe durch den Kündigungsverzicht auf 13 Jahre, in der Praxis kann der Kündigungsverzicht (falls danach gekündigt werden sollte unter Beachtung von Kündigungsfristen) allerdings wie der befristete Mietvertrag wirken.) erreichen wollen, weil die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung jenem Ziel zum Durchbruch verhelfen können.

Sachverhalt | BGH VIII ZR 388/12

Die Parteien haben am 01.11.2004 einen Mietvertrag geschlossen, der folgende individualrechtliche Vereinbarung enthält: „Das Mietverhältnis ist auf Verlangen des Mieters auf bestimmte Zeit abgeschlossen. Es beginnt am 01.11.2004 und endet am 31.10.2011, wenn es nicht verlängert wird mit 2x dreijähriger Verlängerungsoption.“ Am 28.02.2011 kündigt der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31.08.2011. Der Vermieter verlangt Räumung der Mietsache.

Entscheidung | BGH VIII ZR 388/12

Das Begehren des Vermieters hat keinen Erfolg.

Die individuell verabredete Klausel im Mietvertrag ist unwirksam. Die aus der unwirksamen Zeitabrede entstandene Vertragslücke führt nicht zur Einsetzung der dispositiven gesetzlichen Regelung des §575 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern erfordert zur Schließung der Vertragslücke eine ergänzende Auslegung, die dem Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss gerecht wird. Somit würde anstelle der unwirksamen Vertragsbestimmung ein beidseitiger Kündigungsverzicht treten, dergestalt dass eine Kündigung frühestens nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Mietzeit, respektiv zusätzlich Verlängerungsoption, möglich ist. Dadurch wäre die von den Parteien gewünschte langfristige Bindung erreicht. Der BGH stuft den dreizehnjährigen Kündigungsverzicht auch AGB-rechtlich unbedenklich ein: Durch die Individualvereinbarung kann der Kündigungsausschluss auch für einen längeren Zeitraum vereinbart werden als die zulässige Frist von vier Jahren, die von den allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen ist.

Praxishinweis | BGH VIII ZR 388/12

Individualvereinbarungen, die gegen § 575 BGB verstoßen sind unwirksam. Die Norm dient dem Bestandschutz des Mieters, indem verhindert wird, dass der Kündigungsschutz durch Zeitmietverträge umgangen wird (IMR Oktober 2013, 3969).