LG Düsseldorf 9 O 434/12 U
Der unvollständige Rechtsformzusatz und seine Haftungsfolgen

13.01.2014

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Düsseldorf
16.10.2013
9 O 434/12 U
BeckRS 2013, 19527

Leitsatz | LG Düsseldorf 9 O 434/12 U

(eigener) Leitsatz:

  1. § 5a Abs. 1 GmbHG löst keine zwingende, von tatsächlichem Vertrauen losgelöste, Rechtsscheinhaftung aus.
  2. Neben der schlichten Fehlbezeichnung in einzelnen Dokumenten sind vielmehr weitere vertrauensbegründende Aspekte erforderlich um eine Rechtsscheinhaftung nach § 179 BGB auszulösen.

Sachverhalt | LG Düsseldorf 9 O 434/12 U

Der Beklagte schloss als Geschäftsführer der E-UG (haftungsbeschränkt) einen Pachtvertrag mit der Klägerin – einer GmbH – über eine Gaststätte und Nebenräume. Der Beklagte unterschrieb den Vertrag nur mit seinem Namen – ohne Vertreterzusatz. Im Vertrag und in der weiteren Korrespondenz wurde die E-UG (haftungsbeschränkt) nur als E-UG – ohne den Zusatz „(haftungsbeschränkt“) bezeichnet. Die Klägerin macht die unstreitig bestehenden Mietrückstände sowohl gegen die E-UG (haftungsbeschränkt) als auch gegen den Beklagten persönlich geltend.

Entscheidung | LG Düsseldorf 9 O 434/12 U

Das LG Düsseldorf verneint eine persönliche Haftung des Beklagten aufgrund Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB. Es fehlt an einem zurechenbaren objektiven Rechtsschein dahingehend, dass der Beklagte selbst Pächter werden sollte und nicht die E-UG (haftungsbeschränkt), jedenfalls aber am subjektiven Vertrauenselement.

Auch die fehlerhafte Bezeichnung der E-UG (haftungsbeschränkt) im als solche genügt nicht. Nach § 5a GmbHG ist die beklagte E-UG (haftungsbeschränkt) zwar verpflichtet die vollständige korrekte Firmenbezeichnung zu führen, zu der auch der Klammerzusatz „haftungsbeschränkt“ gehört. Die Begründung zum Regierungsentwurf des MoMiG (BT-Drs.16/6140, S. 31) führte dazu aus: „Diese beiden Rechtsformzusatzvarianten sind zwingend, eine Abkürzung des Zusatzes „(haftungsbeschränkt)“ ist nicht zulässig. Das Publikum darf nicht darüber getäuscht werden, dass es sich hierbei um eine Gesellschaft handelt, die möglicherweise mit sehr geringem Gründungskapital ausgestattet ist.“ Der Zusatz fehlte sowohl in der Korrespondenz zwischen den Parteien als auch im von beiden Seiten unterschriebenen Pachtvertag. Der Verstoß gegen § 5a GmbHG führt jedoch nicht ohne weiteres zu einer persönlichen Haftung desjenigen, der die Firma falsch angegeben hat. Ausdrücklich sanktioniert das Gesetz den Verstoß nur durch vom Registergericht zu verhängende Zwangsgelder nach § 79 Abs. 1 GmbHG. Neben der schlichten Fehlbezeichnung in einzelnen Dokumenten sind vielmehr weitere vertrauensbegründende Aspekte erforderlich um eine Rechtsscheinhaftung auszulösen.

§ 5a Abs. 1 GmbHG löst keine zwingende, von tatsächlichem Vertrauen losgelöste, Rechtsscheinhaftung aus. Eine solche Gestaltung ist dem deutschen Recht generell unbekannt; vielmehr entfällt eine Haftung nach allen gesetzlich normierten Haftungstatbeständen dann, wenn der Betroffene nicht auf den Rechtsschein vertraute bzw. in Fällen außerhalb amtlicher Register auch vertrauen durfte. Ein Bedürfnis nach einer unbeschränkten Haftung als Folge jedes Verstoßes gegen das zwingende Firmenrecht gibt es nicht. Die Haftung ist kein Selbstzweck, sondern dient ausschließlich dem Schutz der unerfahrenen, gutgläubigen Geschäftspartner. Die Rechtsordnung bietet vielmehr ein mehrfach abgestuftes Instrumentarium, das neben den zivilrechtlichen Rechtsfolgen etwa auch das Zwangsgeldverfahren nach § 79 Abs. 1 GmbHG, ein Vorgehen nach § 3 UWG und sogar für Extremfälle eine Strafbarkeit wegen Betruges umfasst. Grundsätzlich soll § 179 BGB nicht als Sanktionsnorm dienen. Wenn der Gesetzgeber tatsächlich davon ausgegangen wäre, dass jeder Fehler im Rechtsformzusatz zwingend eine persönliche Haftung nach sich ziehen sollte, hätte er dies (wie etwa in § 11 Abs. 2 GmbHG) anordnen können. Das Ziel, eine Täuschung des Rechtsverkehrs über die Haftungsbeschränkung zu verhindern, wird in gleicher Weise erreicht, wenn eine solche Haftung nur eingreift, soweit die Irreführung tatsächlich erfolgt ist oder vorsätzliches Handeln nachgewiesen wurde. In allen übrigen Fällen ist vorrangig das Instrumentarium des UWG bzw. der Registergerichte anzuwenden.

Zwar ist eine „UG“ ist dem deutschen Recht unbekannt. Die Abkürzung deutet jedoch keinesfalls auf eine unbeschränkte Haftung hin, wie schon der Vergleich zur ähnlich klingenden „AG“ nahelegt. In der Tat gibt es keine ersichtliche Rechtsform mit unbeschränkter persönlicher Haftung, die auf diese Weise abgekürzt werden könnte. Die Argumentation, dass es sich um eine bloße Bezeichnung für ein einzelkaufmännisches Unternehmen handele, findet im deutschen Recht keine Anhaltspunkte. Angesichts der beabsichtigten Geschäftstätigkeit hätte ein kaufmännisches Gewerbe vorgelegen (§ 1 Abs. 2 HGB). Hätte der Beklagte aber eine einzelkaufmännische Firma statt seines bürgerlichen Namens verwenden wollen, wäre nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 HGB der Zusatz „e.K.“ erforderlich gewesen. Als Pächter im Vertrag wäre eine Formulierung üblich wie „handelnd unter der Firma“ oder „handelnd als“. Stattdessen lautet der Vertrag nur auf die unvollständige Firma der E-UG (haftungsbeschränkt).

Im Streitfall hätte die Klägerin zumindest erkennen müssen, dass es sich bei ihrem Vertragspartner um eine juristische Person handelt. Dieser Haftungsausschluss ergibt sich ausdrücklich aus § 179 Abs. 3 S. 1 BGB, der bei konsequenter analoger Anwendung des § 179 BGB ebenfalls Anwendung finden muss. Danach haftet der Vertreter – hier der Beklagte – nicht, wenn der andere Teil (also die Klägerin) den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Für das Kennenmüssen genügt nach § 122 BGB bereits einfache Fahrlässigkeit (§ 122 Abs. 2 BGB).

Auch die fehlerhaften Angaben auf den Geschäftsbriefen entgegen § 35a GmbHG sind ausschließlich nach § 79 Abs. 1 GmbHG sanktioniert. Eine Schadensersatzhaftung kommt nur in Betracht, wenn tatsächlich ein Vertrauen nachgewiesen wurde.

Zwar musste nach § 35 Abs. 3 GmbHG in der Fassung bis zum 31. Oktober 2008 geltenden Fassung die Unterschrift in der Weise geschehen, dass „die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft ihre Namensunterschrift beifügen“. Hier fehlte bei der Unterschrift des Beklagten die Angabe der Firma. Durch das MoMiG wurde jedoch mit Wirkung zum 1. November 2008 diese Zeichnungsregel aufgehoben. Die amtliche Begründung (BT-Drs. 16/6140, S. 43) geht davon aus, dass die allgemeinen Regeln der §§ 164 ff. BGB genügen. Ein Handeln für einen anderen, nämlich die UG (haftungsbeschränkt), ergab sich hier aus dem Vertragstext selbst. Ergänzende Angaben, wie sie die Klägerin vorgenommen hat, bedurfte es nicht.

Praxishinweis | LG Düsseldorf 9 O 434/12 U

Die vorliegende Entscheidung grenzt sich selbst klar gegenüber der Entscheidung des BGH vom 12. Juni 2012 (II ZR 256/11) ab. Dort hat der BGH eine Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB angenommen, da durch die Kombination diverser Abkürzungen („GmbH. u.G. (i.G.)“) in der Geschäftskorrespondenz Verwirrung gestiftet und im Verhältnis zu geschäftlich weniger erfahrenen Personen eine (vermeintlich) vermögende GmbH suggeriert wurde. Die Angabe „E UG“ bezeichnet hingegen auch nach Vortrag der Klägerin keine GmbH. Darüber hinaus kann auch bei einer GmbH nur davon ausgegangen werden, dass sie anfänglich über ein Stammkapital von 25.000 € verfügt hat.