OLG Hamm I-31 U 55/12
Bestätigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung: Unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen der (Sparkassen-) Banken zu Erbnachweisen

15.02.2013

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamm
01.10.2012
I-31 U 55/12
BeckRS 2012, 22064

Leitsatz | OLG Hamm I-31 U 55/12

 

Sachverhalt | OLG Hamm I-31 U 55/12

Der Kläger, der in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UklaG eingetragen ist, klagte gegenüber der Sparkasse mit dem Begehren es zu unterlassen, weiterhin folgende – oder andere inhaltsgleiche -Klauseln gegenüber Verbrauchern zum Nachweis ihres Erbrechts bei den Banken zu verwenden:

Nr. 5 Absatz 1

„[Satz 1] Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen […].

[Satz 2] Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift von Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie die Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird.“

Das Gericht 1. Instanz gab der Klage statt und hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Hiergegen richtete sich die Berufung der beklagten Sparkasse:

Entscheidung | OLG Hamm I-31 U 55/12

Das Berufungsgericht hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Die verwendeten Klauseln seien nach § 307 BGB unwirksam. Das Gericht führt in seiner Entscheidung aus, dass das deutsche Recht – wie schon mehrfach höchstrichterlich entschieden – keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz kenne, dass ein Erbe sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen habe. Die Pflicht zur Vorlage eines Erbscheins führe vielmehr häufig zu einer „unerträglichen Belästigung des Erben, zu unnützen Kosten und zur Verzögerung der Nachlassregulierung“.

Durch die Klauseln werde der Vertragspartner der Sparkasse entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn aus Sicht eines durchschnittlichen Bankkunden sei die Regelung des Satzes 1 so zu verstehen - wie es ihr Wortlaut auch nahelege – dass die Beklagte die Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis des Erbrechts unabhängig davon beanspruchen könne, ob im konkreten Einzelfall das Erbrecht auch auf andere Art nachgewiesen werden könne. Es liege im freien Ermessen der Beklagten, die Vorlage eines Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses zu verlangen. Zudem könne die Beklagte nach dem Inhalt der Klausel die Vorlage eines Erbscheins selbst dann beanspruchen, wenn ein Konto nur ein geringes Guthaben aufweise und die Forderung nach der Vorlage eines Erbscheins daher möglicherweise als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre.

Ebenso wenig konkretisiere auch Nr. 5 Absatz 1 Satz 2 der AGB, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte auf die Vorlage eines Erbscheins bzw. Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten könne. Die Beklagte sei auch hier völlig frei darin, ob sie auf die Vorlage des Erbscheins verzichte oder nicht.
Entgegen der Ansicht der Berufungsklägerin sei auch § 35 Absatz 1 Satz 1 GBO nicht zu entnehmen, dass der Erbe sein Erbrecht mittels Erbscheins nachzuweisen habe: Zum einen sei § 35 Absatz 1 GBO eine nicht verallgemeinerungsbedürftige Sonderregelung. Zum anderen genüge selbst im sensiblien Bereich des Grundbuchrechts zum Nachweis der Erbfolge grundsätzlich die Vorlage der Verfügung von Todes wegen durch öffentliche Urkunde sowie die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung. Nur in Zweifelsfällen sei die Vorlage eines Erbscheins erforderlich.

Dass die Banken in solchen Zweifelsfällen ein Interesse an der Vorlage eines Erbscheins haben, stehe vollkommen außer Frage. Den AGB der Beklagten lasse sich jedoch eine solche Einschränkung auf Zweifelsfälle nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont eines Durchschnittskunden nicht entnehmen.

Praxishinweis | OLG Hamm I-31 U 55/12


Da die AGBs fast aller Banken vergleichbare Geschäftsbedingungen verwenden – manche sogar ausnahmslos die Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis des Erbrechts – hat diese Entscheidung erhebliche praktische Bedeutung für die Bankkunden und die Bankenpraxis. Aufgrund der weitreichenden Bedeutung wurde auch Revision zugelassen, so dass diese Problematik auch (nochmals) höchstrichterlich geklärt wird.