Beschluss des OLG München 34 Wx 360/12
Pflichtteilsberechtigte Angehörige können Grundbucheinsichtsrecht haben

18.01.2013

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

Beschluss des OLG München
07.11.2012
34 Wx 360/12
ZErb 1/2013

Leitsatz | Beschluss des OLG München 34 Wx 360/12

Grundbucheinsichtsrecht eines pflichtteilsberechtigten Angehörigen, der Miterbe
ist, zur Feststellung etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche

Sachverhalt | Beschluss des OLG München 34 Wx 360/12

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist gesetzliche Erbin ihres im Jahr 2011 verstorbenen Vaters. Nach dessen Tod beantragte die Bf. die Erteilung unbeglaubigter Grundbuchauszüge über etwaig vorhandenen Grundbesitz. Die Bf. bezweckte damit mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen Personen, an die vor dem Erbfall möglicherweise Grundbesitz schenkweise übertragen wurde, zu klären. Sowohl der Antrag als auch die darauf eingelegte "Beschwerde" beim Grundbuchamt wurden von diesem zurückgewiesen. Als Begründung wurde angeführt, dass die Bf. nicht hinreichend dargelegt habe, dass solche Ansprüche ihr überhaupt zustehen. Im Übrigen können der Bf. als Miterbin keine Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen.

Entscheidung | Beschluss des OLG München 34 Wx 360/12

Die gegen die Entscheidung des Grundbuchamts beim Gericht durch die Bf. eingelegte Beschwerde war erfolgreich. Das Gericht entschied, dass die Bf. ein berechtigtes Interesse an einer Grundbucheinsicht hinreichend dargetan hat.

Ein für die Grundbucheinsicht berechtigtes Interesse i. S. v. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO liegt dann vor, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird. Es bedarf daher sachlicher Gründe, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloße Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. Ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse kann jedoch bereits ein Grundbucheinsichtsrecht begründen, führt das Gericht aus.

Das Gericht stellt klar, dass allgemein anerkannt sei, dass ein Pflichtteilsberechtigter grundsätzlich ein solches berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht – insbesondere zur Geltendmachung etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche - habe: Für die Klärung, ob solche Ansprüche tatsächlich entstanden sind, ist eine ebensolche Grundbucheinsicht erforderlich.

Schließlich kann – so das Gericht – auch ein Erbe zur Klärung etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB Grundbucheinsicht verlangen. Denn auch einem pflichtteilsberechtigten Erben steht ein Ergänzungsanspruch zu, wenn der Wert des Hinterlassenen geringer ist als der Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbteils unter Hinzurechnung der verschenkten Gegenstände, welche den Erben zur Pflichtteilsergänzung berechtigen können.

Das Gericht führt aus, dass das Interesse der Bf. im vorliegenden Fall durch die Vorlage des Erbscheins ausreichend dargelegt sei. Denn damit stehe fest, dass die Bf. Miterbin sei und ihr deshalb mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen können.

Auf einen etwaigen Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsverzicht komme es, so fügt das Gericht an, im Übrigen nicht an, da für die Einsicht allein die abstrakte Möglichkeit eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs genüge.

Praxishinweis | Beschluss des OLG München 34 Wx 360/12

Zur Geltendmachung eines Grundbucheinsichtsrechts eines pflichtteilsberechtigten (Mit-)Erben daher ausreichend ist die Erbenstellung nachzuweisen. Das berechtigte Interesse um Grundbucheinsicht zu erhalten wird dabei auch nicht durch einen etwa geschlossenen Pflichtteils(ergänzungs)verzichtsvertrag ausgeschlossen.