BFH XI R 27/08
Vorliegen einer Geschäftsveräußerung bei Vermietung wesentlicher Grundlagen

21.12.2012

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
18.01.2012
XI R 27/08
DB 2012, 783

Leitsatz | BFH XI R 27/08

Die Übereignung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, stellt eine nicht der Umsatzsteuer unterliegende Geschäftsveräußerung dar, sofern die übertragenen Sachen hinreichen, damit der Erwerber eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft fortführen kann.

Sachverhalt | BFH XI R 27/08

Die Klägerin und Revisionsbeklagte veräußerte ihren Warenbestand und die Ladeneinrichtung ihres Sportgeschäfts an eine GmbH. In ihrer Rechnung wies sie keine Umsatzsteuer aus. Des Weiteren vermietete sie an ebenjene GmbH ihr Ladenlokal auf unbestimmte Zeit und unter der gesetzlichen Kündigungsfrist. Die Klägerin verstand den Verkauf als eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, gem. § 1 Ia UStG und somit keine Umsatzsteuer anfallen würde. Das beklagte Finanzamt widersprach dem, da es der Meinung war, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht vorliegen würden, da das Grundstück als wesentliche Geschäftsgrundlage nicht mit veräußert wurde. Das Finanzgericht gab der ehemaligen Ladenbetreiberin Recht. Es führte aus, dass die Veräußerung des Warenbestandes und der Ladeneinrichtung nicht steuerbar sei und eine Betrachtung aller wesentlichen Faktoren dazu führen würde, dass es sich um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handeln würde und es durch den geschlossenen Mietvertrag zu einer dauerhaften Unternehmensfortführung kommen würde. Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts legte das Finanzamt Revision ein. Der Senat des Bundesfinanzhofes legte zunächst einmal den Sachverhalt dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Dieser entschied, dass die Veräußerung des Warenbestandes und der Einrichtung des Geschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit eine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens im Sinne von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG darstellt. Dieser Punkt wird erfüllt, da die übertragenen Sachen ausreichen, damit der Erwerber eine selbstständige Tätigkeit dauerhaft fortführen kann und somit die organische Einheit dauerhaft fortgeführt werden kann. Die Verkäuferin beantragt, die Revision abzulehnen. Das Finanzamt beantragte die Aufhebung des Urteils vom FG und die Klage abzuweisen.

Entscheidung | BFH XI R 27/08

Der Bundesfinanzhof lehnte die Revision als unbegründet ab. Gemäß § 1 Ia S. 1 UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen im Ganzen unentgeltlich oder entgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird, § 1 Ia S. 2 UStG. Somit würde der Erwerber an die Stelle des Veräußerers treten. Es ist notwendig, dass die gesamten verkauften Komponenten ausreichen, um den weiteren Betrieb einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Außerdem muss der Erwerber auch beabsichtigen, den Geschäftsbetrieb fortzuführen und nicht nur weiterzuverkaufen. Der EuGH führte dazu auch aus, dass aus den ihm überreichten Unterlagen hervorgeht, dass es sich bei dem Verkauf nicht nur um die einfache Veräußerung des Warenbestands handelt. Die Dauer des Mietvertrages und die zur eventuellen Beendigung festgesetzte Kündigungsfrist müssen auch berücksichtigt werden, um zu prüfen, ob sie einer dauerhaften Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Wege stehen könnten. Die Möglichkeit einer kurzfristigen Kündigung ist jedoch nicht entscheidend für die Feststellung, ob das erwerbende Unternehmen den Geschäftsbetrieb sofort abwickeln oder es weiterführen will. Der Bundesfinanzhof erklärte, dass der vorgenommene Verkauf des Warenbestands und der Ladeneinrichtung als Umsatz im Rahmen einer Geschäftsveräußerung gem. § 1 Ia UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen würde.

Praxishinweis | BFH XI R 27/08

Durch das an die Rechtsprechung des EuGH angelehnte Urteil des BFH schafft der Gerichtshof mehr Sicherheit für die Vertragsgestaltung. Es soll verhindert werden, dass der Erwerber den Geschäftsbetrieb nur abwickelt und den Warenbestand weiterverkauft. Demnach ist eine gute Vertragsgestaltung notwendig, um möglichen Problemen aus dem Weg zu gehen.