OLG Bremen 5 W 18/12
Wirksamwerden früher getroffener letzwilliger Verfügungen bei Ausschlagung der Erbschaft durch den überlebenden Ehegatten

21.12.2012

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Bremen
01.08.2012
5 W 18/12
DNotI-Report 2012, 178

Leitsatz | OLG Bremen 5 W 18/12

Die Aufhebung eines gemeinschaftlichen Testaments in einem gerichtlichen Vergleich, geschlossen ohne Anwesenheit der Ehegatten im Termin, ist formunwirksam. Schlägt bei einem gemeinschaftlichen Testament der überlebende Ehegatte die Erbschaft wirksam aus, so werden nicht nur seine zuvor getroffenen letztwilligen Verfügungen wirksam, die zunächst mit Rücksicht auf die wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament unwirksam waren; dies gilt vielmehr auch für die entsprechenden des vorverstorbenen Ehepartners (entgegen OLG Karlsruhe, OLG- Report 1999, 26).

Sachverhalt | OLG Bremen 5 W 18/12

Die Erblasserin und ihr Ehemann schlossen 1981 ein gemeinschaftliches Testament, in welchem sie sich gegenseitig zu alleinigen Vollerben und eine Tochter des Ehemanns zur Schlusserbin einsetzten. Nach der Trennung der beiden schlossen die Ehepartner im Jahre 2001 eine Trennungsvereinbarung mit einem gerichtlichen Vergleich, in welchem sie auch das gemeinschaftliche Testament aufhoben. Zu diesem Termin waren aber nur die Vertreter und nicht die Beteiligten persönlich erschienen. In den folgenden Jahren errichteten beide Ehepartner jeweils neue letztwillige Verfügungen. Der Ehemann setzte seine neue Lebensgefährtin zur Alleinerbin ein, die Ehefrau dagegen ihr Patenkind. 2009 verstarb die Ehefrau. Der Ehemann schlug 2010 das Erbe mit notarieller Urkunde unter dem Hinweis aus, dass er erst kurz zuvor von der Unwirksamkeit der Aufhebung des gemeinschaftlichen Testaments erfahren habe. Das Patenkind versuchte erfolglos beim zuständigen Amtsgericht einen Erbschein zu beantragen.

Entscheidung | OLG Bremen 5 W 18/12

Das Oberlandesgericht Bremen entschied, dass das Amtsgericht zu Unrecht den Antrag auf Erteilung des Erbscheins an das Patenkind verweigert hatte. Durch das einseitige Testament der Erblasserin wurde das Patenkind alleiniger Erbe. Das Gericht führt aber auch aus, dass das gemeinschaftlich geschlossene Testament nicht durch den Vergleich beseitigt wurde, da beide Ehegatten nicht zum Termin persönlich anwesend waren nach § 2274 BGB. Die Bindung der Ehefrau an das gemeinschaftliche Testament wurde aber durch die Ausschlagung des Erbes durch den Ehemann gem. § 2271 II S. 1 Hs. 2 BGB und diejenige Verfügung von Todes wegen aufhob, die im Wechselbezug zur Erbeinsetzung des Ehemannes durch die Ehefrau stand. Das OLG Bremen vertritt die Ansicht, dass die Erbausschlagung des Ehemannes wirksam ist, da er die sechswöchige Frist, die zur Ausschlagung gem. § 1944 I BGB angesetzt ist. Diese Frist begann erst zu laufen, als der Ehemann von der Unwirksamkeit der Testamentsaufhebung erfahren hatte. Als Widerrufstestament komme jedoch die Ausschlagungserklärung in Frage, weil die Testamentsform gem. § 2231 ff. BGB nicht eingehalten wurde. Als Widerrufstestament kommt aber das vom Ehemann einseitig errichtete Testament, in welchem er seine neue Lebensgefährtin zur Alleinerbin eingesetzt hat, in Betracht, § 2271 II S. 1 Hs. 2 BGB. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass ein Widerrufstestament schon vor der Ausschlagung bestehen könnte, denn die Ausschlagung würde gem. § 1953 BGB auf den Erbfall zurück wirken und das Widerrufstestament somit eine nachträgliche Wirkung entfalten. Durch § 2270 I BGB wurde somit auch die Erbeinsetzung des Ehemanns durch die Erblasserin gegenstandslos und dem Alleinerbe des Patenkindes stand nichts im Wege.

Praxishinweis | OLG Bremen 5 W 18/12

Das OLG Bremen setzt sich mit seiner Entscheidung gegen das Urteil des OLG Karlsruhe aus dem Jahre 1998 . Dieses hatte entschieden, dass über eine Ausschlagung des überlebenden Ehegatten nur die Schlusserbeneinsetzung durch den überlebenden Ehegatten und damit die Erbeinsetzung des überlebenden durch den erstverstorbenen Ehegatten beseitigt, nicht aber einem vorangegangenen Testament des Erstverstorbenen zur Wirksamkeit verholfen werden könne. Einer solchen Annahme stehe § 2271 I S. 2 BGB entgegen. Die vom OLG Bremen wegen der Abweichung zur Entscheidung vom OLG Karlsruhe zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht eingelegt. Daher erhält der BGH keine Möglichkeit zur Klärung, ob dem Wiederaufleben des einseitig erstellten Testaments der Ehefrau nicht möglicherweise die Abfassung des Widerrufstestaments bereits vor dem Tod der erstversterbenden Ehefrau entgegenstand.