BGH II ZR 6/11
Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen GmbH-Gesellschafters

24.08.2012

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
15.11.2011
II ZR 6/11
NZG 2012, 194

Leitsatz | BGH II ZR 6/11

Der Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters ist im Insolvenzverfahren allenfalls dann als nachrangig zu behandeln, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag ausgeschieden ist.

Sachverhalt | BGH II ZR 6/11

Die Klägerin war Gesellschafterin der Schuldnerin, einer GmbH, und gewährte dieser im Jahr 2000 ein Darlehen. Im Jahr 2002 schied die Klägerin aus der Gesellschaft aus, ohne sich das Darlehen zurückzahlen zu lassen. Im November 2010 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der GmbH Rückzahlung des Darlehens.

Entscheidung | BGH II ZR 6/11

Der BGH hat entschieden, dass der Anspruch der Klägerin auf Darlehensrückzahlung durchsetzbar und daher zur Insolvenztabelle festzustellen sei. Er weist darauf hin, dass früher ein eigenkapitalersetzendes Darlehen nach der Rechtsprechung des BGH zu einer Sperre für die Durchsetzbarkeit des Rückzahlungsanspruchs im Sinn einer Stundung führte (vgl. BGH, NZI 2005, 283), nunmehr jedoch die Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (MoMiG) (BGBl I, 2026) am 01.11.2008 aufgehoben wurden (§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG), so dass die Gesellschafter und erst recht gesellschaftsfremde Dritte, wie die Klägerin, die keine Gesellschafterin mehr war, die Rückzahlung ihrer eigenkapitalersetzenden Darlehen ab diesem Zeitpunkt durchsetzen konnten. Nach Auffassung des BGH könne der Beklagte auch nicht erfolgreich einwenden, dass die Forderung der Klägerin nach §§ 174 Abs. 3 s. 1, 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wegen eines Nachrangs nicht zur Tabelle festzustellen sei. Denn der Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters ist im Insolvenzverfahren allenfalls dann als nachrangig zu behandeln, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag ausgeschieden ist. Die Nachrangigkeit sei im Streitfall nach § § 39 InsO i.d.F. des MoMiG zu beurteilen, da das Insolvenzverfahren nach dem 01.11.2008 eröffnet wurde (Art. EGINSO 103 d S. 1 EGInsO; vgl. BGH, NJW 2011, 1503). Die Forderung sei vorliegend jedoch nicht als nachrangig zu behandeln, da die Klägerin deutlich früher als ein Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Schuldnerin ausgeschieden sei. Der BGH macht zudem deutlich, dass die Gesellschafterstellung als persönliche Voraussetzung bei einem außerhalb der Anfechtungsfrist ausgeschiedenen Gesellschafter nicht mehr vorliege. Dem Altgesellschafter könne es nicht zum Nachteil gereichen, dass er trotz seines Ausscheidens das Darlehen der Gesellschaft belassen und nicht zurückgefordert habe.

Praxishinweis | BGH II ZR 6/11

Für Gesellschafter, die zugleich Darlehensgeber sind und aus ihrer Gesellschaft ausscheiden wollen, schafft das Urteil nun Rechtssicherheit bezüglich der Frage des Zeitpunktes der Durchsetzbarkeit der Forderung. Denn in der Regel wird der Verkäufer eines Gesellschaftsanteils – anders als im vorliegenden Fall – das Gesellschafterdarlehen nicht stehen lassen wollen. Er muss dann jedoch innerhalb des Jahres nach Rückzahlung mit dessen Anfechtbarkeit rechnen (§ 135 Abs. 1 InsO). Vorzugswürdig ist daher die in der Transaktionspraxis typische Gestaltung, bei der Veräußerung der Gesellschaftsanteile das Gesellschafterdarlehen mit zu verkaufen und an den Erwerber abzutreten. Denn für den Verkäufer ist es nicht zuzumuten, das Risiko der Insolvenz der Gesellschaft zu tragen, obwohl er auf diese keinen Einfluss mehr hat. Das Urteil hat zudem wegweisende Bedeutung für den Parallelfall, in dem der Darlehensgeber weiterhin Gesellschafter bleibt, das Darlehen aber an einen Nichtgesellschafter abtritt. In beiden Fällen ist der Darlehensgeber kein Gesellschafter mehr. Die Forderung des Zessionars dürfte folgerichtig spätestens nach Ablauf eines Jahres nach der Abtretung nicht mehr nachrangig sein. Darüber hinaus stellt der BGH in seinem Urteil klar, dass die frühere Rechtsprechung zu eigenkapitalersetzenden Darlehen auf Altfälle, in denen das Insolvenzverfahren erst nach Inkrafttreten des MoMiG am 01.11.2008 eröffnet und das Darlehen zu diesem Zeitpunkt noch nicht zurückgezahlt wurde, keine Anwendung mehr findet.