BGH XII ZR 49/09
Bewertung einer freiberuflichen Praxis im Zugewinnausgleich und Berücksichtigung eines Goodwill

20.01.2012

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
09.02.2011
XII ZR 49/09
BeckRS 2011, 4957

Leitsatz | BGH XII ZR 49/09

1. Der Goodwill einer freiberuflichen Praxis ist als immaterieller Vermögenswert grundsätzlich in den Zugewinnausgleich einzubeziehen.
2. Bei der Bemessung eines solchen Goodwill ist im Rahmen der modifizierten Ertragswertmethode ein Unternehmerlohn abzusetzen, der sich an den individuellen Verhältnissen des Inhabers orientiert.
3. Die stichtagsbezogene Bewertung einer Inhaberpraxis im Zugewinnausgleich setzt eine Verwertbarkeit der Praxis voraus. Deswegen sind bereits bei der stichtagsbezogenen Bewertung dieses Endvermögens latente Ertragssteuern abzusetzen, und zwar unabhängig davon, ob eine Veräußerung tatsächlich beabsichtigt ist.
4. Die Berücksichtigung eines Goodwills im Zugewinnausgleich verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil er den am Stichtag vorhandenen immateriellen Vermögenswert unter Ausschluss der konkreten Arbeitsleistung des Inhabers betrifft, während der Unterhaltsanspruch auf der Arbeitsleistung des Inhabers und weiteren Vermögenserträgen beruht.

Sachverhalt | BGH XII ZR 49/09

Die Beteiligten streiten über den Zugewinnausgleich, insbesondere darüber, ob die Praxis des Ehemannes im Endvermögen zu berücksichtigen ist, oder ob in dieser Berücksichtigung ein Verbot gegen das Doppelverwertungsverbot liegt. Der Ehemann ist Zahnarzt und betreibt zusammen mit einem Kollegen eine Gemeinschaftspraxis, die vom OLG Hamm mit 321.157 DM bewertet wurde.

Entscheidung | BGH XII ZR 49/09

Die Praxis ist zu berücksichtigen. Der BGH stellt klar, dass der Goodwill einer freiberuflichen Praxis einen immateriellen Vermögenswert darstellt, der sich aus verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel Ruf und Ansehen des Inhabers, Standort, Art und Zusammensetzung der Patienten gründet. Der Erwerber einer freiberuflichen Praxis erhält die Chance, den Patientenstamm zu übernehmen, so dass dem Goodwill ein eigener Marktwert zukommt. Bei der Wertermittlung dieses Marktwertes ist der individuelle Unternehmerlohn des Inhabers in Abzug zu bringen, damit der auf den Praxisinhaber bezogene Wert ausgeschieden wird. Denn dieser beruht allein auf dem persönlichen Einsatz des Praxisinhabers und ist nicht auf einen Käufer übertragbar.
Durch den Abzug des Unternehmerlohns bei der Ermittlung des Wertes der Praxis ist auch eine Doppelverwertung im Unterhalt und im Güterrecht ausgeschlossen. Der Unternehmerlohn wurde vorliegend auf der Grundlage des Tariflohns für Zahnärzte zuzüglich des Arbeitgeberzuschlags für Lohnnebenkosten, ermittelt. Bei der Ermittlung des Unternehmerlohnes können zusätzlich weitere Umstände, die eine über den üblichen Umfang hinausgehende Bedeutung der Inhaberleistung rechtfertigen, berücksichtigt werden.

Praxishinweis | BGH XII ZR 49/09

Sofern der Praxisinhaber erreichen möchte, dass nicht nur der auf der Grundlage des Tariflohns für die entsprechende Berufsgruppe und seiner Wochenarbeitszeit ermittelte Unternehmerlohn bei der Bewertung des Goodwill, sondern ein entsprechend höherer Lohn in Abzug gebracht wird, muss er besondere Umstände, die eine über den üblichen Umfang hinausgehende Bedeutung der Inhaberleistung darstellen substantiiert vortragen und hierfür Beweise anbieten. Solche Umstände können etwa zusätzliche Qualifikationen, ein besonders guter Ruf oder spezielles Geschick für bestimmte Operationen sein.