BGH III ZR 218/09
Haustürgeschäft und Wertersatz

14.11.2011

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
15.04.2010
III ZR 218/09
NJW 2010, 2868

Leitsatz | BGH III ZR 218/09

  1. Es liegt keine „vorhergehende Bestellung” i.S. von § 312 Absatz III Nr. 1 BGB vor, wenn das in der „Haustürsituation” unterbreitete und zum Vertragsschluss führende Angebot des Unternehmers von dem Gegenstand der Einladung des Verbrauchers nicht unerheblich abweicht und dieser damit vorher weder gerechnet hat noch rechnen musste (hier: Erwartung der Vermittlung einer bestimmten, in einer Zeitungsannonce beschriebenen Partnerin und Abschluss eines von diesem konkreten Partnerwunsch gelösten allgemeinen Partnervermittlungsvertrags).
  2. Die Bemessung des Wertersatzes, den der Verbraucher nach dem wirksamen Widerruf eines Haustürgeschäfts für bis dahin empfangene Leistungen des Unternehmers schuldet, richtet sich nicht nach dem vertraglich vereinbarten Entgelt, sondern nach dem objektiven Wert dieser Leistungen, soweit dieser das vertragliche Entgelt nicht übersteigt.

Sachverhalt | BGH III ZR 218/09

Ein Makler schaltete eine Anzeige zur Partnervermittlung in einer Zeitung. Es wurden bereits erste Vertragsdetails publik gemacht bzw. ein Angebot öffentlich verbreitet. Daraufhin meldete sich ein Kunde und bat den Makler zu diskreten Verhandlungen über die Einzelheiten der Partnersuche zu sich nach Haus. Dort allerdings bot er dem Kunden ein umfassenderes Dienstleistungspaket an als das in der Zeitung offerierte. Nachdem der Makler dem Kunden bereits zwei „Angebote“ entsprechend seinen Wünschen zugesandt hatte, widerrief der Kunde den Vertrag. In der Zwischenzeit hatte der Makler eine Mappe mit 15 weiteren Angeboten erstellt, aber dem Kunden noch nicht überreichen können. Der Makler war erstens der Meinung, dass kein gesetzliches Widerrufsrecht bestünde, und verlangte zweitens, für den Fall, dass das Gericht anders sehen werde, einen Wertersatz für alle bereits erbrachten Leistungen, wovon auch die Erstellung der Mappe zählen sollte. Die Höhe sollte sich am vertraglichen Entgelt orientieren.

Entscheidung | BGH III ZR 218/09

Die Entscheidung ist in doppelter Hinsicht interessant. Zunächst widmet sich der BGH der Frage, wann ein Makler, der Zeitungsannoncen schaltet, in eine Haustürsituation gerät. Die Konsequenz ist ein zeitlich befristetes Widerrufsrecht des Geschäfts. Sofern er, was der Regelfall sein wird, über den Widerruf nicht aufklärt, besteht es zeitlich unbegrenzt fort. Eine Haustürsituation verlangt, dass der Makler in eine Wohnung oder an den Arbeitsplatz des Kunden kommt und dort auch einen Vertrag mit abschließt. Sie liegt jedoch dann nicht vor, wenn der Kunde den Makler zuvor selbst einbestellt. Der Kunde gerät dann nämlich nicht in eine situative Überrumplung und es ist ihm insbesondere auch ohne weiteres möglich, vor den Verhandlungen Vergleichsangebote zu prüfen. Eine vorhergehende Bestellung scheidet aber dann aus, wenn die Einladung vom Makler "provoziert" worden ist, etwa dadurch, dass der Makler sich unverlangt und unerwartet telefonisch an den Kunden gewandt und diesen zu der "Einladung" bewogen hat. Dasselbe gilt aber auch dann, wenn der Makler den Kunden während der späteren Verhandlung plötzlich ein anderes Angebot unterbreitet, dass der Kunde nicht zuvor hatte prüfen und vergleichen können. Auch in diesem Fall darf sich der Kunde situativ überrumpelt fühlen.

Der BGH musste sich anschließend der Frage zuwenden, wie das Geschäft zwischen beiden erfolgtem Widerruf rückabzuwickeln ist. Das Gesetz gesteht dem Makler in jedem Fall einen Anspruch auf Wertersatz zu. Wertersatz könne aber nur allein für die Leistungen anfallen, die der Kunde auch tatsächlich empfangen oder erhalten hat. Unerheblich ist demgegenüber, ob der Makler bereits weitere Vorschläge erstellt hatte. Für die Höhe des Wertersatzes kann nicht auf die vertragliche Entgeltregelung abgestellt werden, sondern nur auf den objektiven Wert, sofern dieser das vertragliche Entgelt nicht übersteigt. Diese einschränkende Auslegung der Verweisung in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB auf § 346 Abs. 2 BGB beruht auf dem Erfordernis der effektiven und zweckentsprechenden Gewährleistung des Rechts zum Widerruf von Haustürgeschäften. Die Ausübung des Widerrufsrechts wäre insbesondere im Bereich der Dienstleistungen in vielen Fällen wirtschaftlich sinnlos und somit dieses Recht wesentlich entwertet, wenn der Verbraucher für die an ihn erbrachten Unternehmerleistungen das vertraglich vereinbarte Entgelt entrichten müsste. Auf diese Weise wäre er nämlich trotz des Widerrufs letztlich doch zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet; der Zweck des Widerrufsrechts, der dem Verbraucher gerade die Möglichkeit geben will, sich von einem nachteiligen, unter Beeinträchtigung seiner Entschließungsfreiheit zustande gekommenen Vertrag wieder lösen zu können, würde verfehlt. Daher kann das Recht des Verbrauchers, seine auf Abschluss eines Vertrags in einer "Haustürsituation" gerichtete Willenserklärung zu widerrufen, effektiv nur ausgeübt werden, wenn die vertragliche Entgeltregelung für die Bemessung des Wertersatzes nicht maßgebend ist. Im Sachverhalt hielt hält einen Betrag von 300 € für angemessen.

Praxishinweis | BGH III ZR 218/09

Makler sollten, so sie denn von Kunden zuvor einbestellt wurden, in Zweifelsfällen den Kunden immer über das Bestehen eines zweiwöchigen Widerrufsrechtes so aufklären, wie es das BGB verlangt. Dem Risiko, dass der Kunde sonst nach Wochen oder gar Monaten irgendwann widerruft, und über die Hintertür verbilligt die Maklerleistung in Anspruch nimmt, kann dadurch jedenfalls wirksam begegnet werden.