BGH II ZR 208/08
Grenzen des gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots beim Austritt des Gesellschafters aus der Gesellschaft

17.05.2010

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
30.11.2009
II ZR 208/08

Leitsatz | BGH II ZR 208/08

1. Sieht die Satzung einer GmbH vor, dass der Austritt eines Gesellschafters der Umsetzung bedarf, behält ein Gesellschafter, der seinen Austritt aus der Gesellschaft erklärt hat, bis zu der erforderlichen Umsetzung seine Gesellschafterstellung. Er darf jedoch seine Mitgliedschaftsrechte nur noch insoweit ausüben, als sein Interesse am Erhalt der ihm zustehenden Abfindung betroffen ist (Fortführung von BGHZ 88, 320); seine Mitgliedschaftspflichten sind entsprechend reduziert.

2. Ein an einen Gesellschafter gerichtetes umfassendes Wettbewerbsverbot in dem Gesellschaftsvertrag einer GmbH ist im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG einschränkend in dem Sinne auszulegen, dass es nur bis zum – wirksamen – Austritt aus der Gesellschaft bzw. bis zur Erklärung der Gesellschaft, sich gegen den ohne Vorhandensein eines wichtigen Grundes erklärten Austritt des Gesellschafters nicht wenden zu wollen, Gültigkeit beansprucht. Die Weitergeltung des Wettbewerbsverbots über diesen Zeitpunkt hinaus käme einem gegen § 138 BGB i. V. m. Art. 12 GG verstoßenden Berufsverbot gleich.

Sachverhalt | BGH II ZR 208/08

Die Beklagte war Gesellschafterin der Klägerin. Deren Satzung untersagte den Gesellschaftern, in unmittelbare oder mittelbare Konkurrenz zur Gesellschaft zu treten. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sah die Satzung allerdings nicht vor. Ein Austritt aus der Gesellschaft bedurfte laut Satzung der Umsetzung (Einziehung des Geschäftsanteils oder Übernahme durch Mitgesellschafter bzw. Dritte).

Seit dem 19.09.2005 war die Beklagte daneben Gesellschafterin einer weiteren GmbH, deren Geschäftsgegenstand mit dem der Klägerin vergleichbar war. Die Beklagte erklärte am 21.09.2005 den Austritt aus der Gesellschaft. Daraufhin beschlossen die anderen Gesellschafter, dass die Beklagte ihren Geschäftsanteil an eine Mitgesellschafterin zu übertragen habe. Dieser Beschluss wurde der Beklagten am 09.11.2005 zugestellt.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, die Beklagte habe das gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbot bis zu ihrem endgültigen Austritt zu beachten.

Entscheidung | BGH II ZR 208/08

Der Bundesgerichtshof hatte im Kern über die zeitlichen Grenzen eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots für einen aus der Gesellschaft austretenden Gesellschafter zu entscheiden.

Der Bundesgerichtshof befand, dass das gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbot im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG einschränkend in dem Sinne auszulegen sei, dass jenes – mangels Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots – lediglich bis zur Annahme des Austritts durch die Zustellung des Gesellschafterbeschlusses am 09.11.2005 Gültigkeit habe. Nach Zustellung des den Austritt annehmenden Gesellschafterbeschlusses sei es dem beklagten Gesellschafter nicht mehr untersagt, zu der Klägerin in Wettbewerb zu treten.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft ein an die Gesellschafterstellung geknüpftes vertragliches Wettbewerbsverbot seine Rechtfertigung regelmäßig in der Treuepflicht finde, der zufolge der Gesellschafter den Gesellschaftszweck loyal zu fördern und alle Handlungen zu unterlassen hat, die die Erreichung des Gesellschaftszwecks behindern könnten. Das Wettbewerbsverbot soll verhindern – und hierin liegt der legitimierende Zweck -, dass die Gesellschaft von innen her ausgehöhlt und ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt wird. Dieser Zweck sei nach Auffassung des BGH jedenfalls mit der Austrittsentscheidung des Gesellschafters und der Annahme der Erklärung durch die Gesellschaft entfallen. Denn ab diesem Zeitpunkt seien die Mitgliedschaftsrechte des austretenden Gesellschafters insoweit reduziert, als dieser seine Mitgliedschaftsrechte nur noch zur Wahrung und Durchsetzung seiner wirtschaftlichen Abfindungsansprüche ausüben könne. Seine Pflichten seien entsprechend reduziert. Zwar bestehe die Gesellschafterstellung formal bis zur wirksamen Einziehung bzw. Übertragung fort, es handele sich aber lediglich noch um eine vermögensrechtliche Verbundenheit.

Der BGH zieht in seiner Entscheidung die zeitlichen Grenzen für ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot der Gesellschafter während deren Mitgliedschaft in der Gesellschaft. In der Praxis werden jedoch häufig auch nachvertragliche Wettbewerbsverbote in der Satzung vereinbart. Die Entscheidung lässt sich allerdings nicht ohne weiteres auf diese nachvertraglichen Wettbewerbsverbote übertragen. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die in den Grenzen des Art. 12 GG i. V. m. § 138 BGB grundsätzlich zulässig sind, müssen nach ständiger Rechtsprechung in zeitlicher, sachlicher und räumlicher Hinsicht angemessen sein. In zeitlicher Hinsicht stellt ein Zeitraum von zwei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft die oberste Grenze dar, die ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht überschreiten sollte.

Praxishinweis | BGH II ZR 208/08