BGH IV ZR 124/09
Darlegungs- und Beweislast bei der Wertermittlung von Nachlassgegenständen

05.09.2011

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
25.11.2010
IV ZR 124/09
ZEV 2011, 29

Leitsatz | BGH IV ZR 124/09

Die Bewertung von Nachlassgegenständen, die nach dem Erbfall veräußert werden, orientiert sich, soweit nicht außergewöhnliche Verhältnisse vorliegen, am tatsächlich erzielten Verkaufspreis. Das gilt unabhängig davon, ob die Gegenstände (hier: Grundstücke) zu einem Preis veräußert werden, der über oder unter dem durch einen Sachverständigen ermittelten Schätzwert liegt. Darlegungs- und beweispflichtig für den Wert des Nachlassgegenstands im Zeitpunkt des Erbfalls ist der Pflichtteilsberechtigte.

Sachverhalt | BGH IV ZR 124/09

In den Nachlass der am 14. 1. 2001 verstorbenen Erblasserin fielen verschiedene Grundstücke bzw. Grundstücksbeteiligungen. Ein Grundstück, dessen Wert der Sachverständige zum 1. 5. 2001 mit 499 500 DM (= 255 390 €) ermittelt hatte, veräußerten die Erben am 1. 10. 2001 für 175 000 €. Ein weiteres Grundstück wurde am 28. 7. 2004 für 296 000 € verkauft, wobei der Wert durch drei Gutachten vom 25. 2. 2002, 7. 3. 2003 und 26. 8. 2004 auf 490.000 €, 355 000 und 301 400 € festgesetzt worden war.

Entscheidung | BGH IV ZR 124/09

Der BGH ist in Fortführung seiner bereits in früheren Entscheidungen begründeten Rechtsprechung davon ausgegangen, dass sich die Bewertung von Nachlassgegenständen, die bald nach dem Erbfall veräußert worden sind, von außergewöhnlichen Verhältnissen abgesehen, grundsätzlich an dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis orientieren muss (BGH v. 14. 10. 1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; v. 13. 3. 1991 – IV ZR 52/90, NJW-RR 1991, 900; v. 24. 3. 1993 – IV ZR 291/91, NJW-RR 1993, 834). Dies rechtfertigt sich durch die Schwierigkeit, die mit nachträglichen Schätzungen auch durch Sachverständige verbunden sind. Geradezu exemplarisch zeigt sich dies in dem vorliegenden Fall, bei dem die Gutachter – wenn auch nicht zum selben Bewertungszeitpunkt – zu stark voneinander differierenden Werten gekommen waren. Diese Maßgeblichkeit des Veräußerungserlöses ist nicht nur auf die Fälle beschränkt, in denen der Veräußerungserlös über dem gutachterlich ermittelten Schätzwert liegt, sondern auch dann, wenn er unter dem Schätzwert liegt. Das Abstellen auf den Veräußerungserlös ist auch nicht an einen festen Zeitpunkt nach dem Erbfall geknüpft. So hat der BGH es auch im Fall des zweiten Grundstücks für unschädlich gehalten, dass zwischen Erbfall und Verkauf ein Zeitraum von 3 1/2 Jahren lag. In einer früheren Entscheidung hatte er bereits einen Zeitraum von noch 5 Jahren als unschädlich angesehen (BGH v. 14. 10. 1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131.). Darlegungs- und beweispflichtig für alle Tatsachen, von denen Grund und Höhe des Anspruchs abhängen, ist der Pflichtteilsberechtigte. Er muss deshalb darlegen und beweisen, dass sich bei einer Veräußerung unter dem Schätzwert die Marktverhältnisse seit dem Zeitpunkt des Erbfalls geändert haben, wenn er den höheren Schätzwert zugrunde legen will. Umgekehrt trifft ihn bei einer Veräußerung über dem Schätzwert die Beweislast dafür, dass die Marktverhältnisse seit dem Erbfall im Wesentlichen unverändert geblieben sind, wenn er den höheren Verkaufspreis in die Berechnung seines Anspruchs einstellt. Ebenso trifft den Pflichtteilsberechtigten die Darlegungs- und Beweislast für erfolgte oder unterbliebene bauliche Veränderungen des Grundstücks nach dem Erbfall (Karczewski, ZEV 2011, 223, 223).

Praxishinweis | BGH IV ZR 124/09