BGH IX ZB 184/09
Der Pflichtteilsanspruch in der Insolvenz

21.04.2011

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
02.12.2010
IX ZB 184/09
NotBZ 2011, 89

Leitsatz | BGH IX ZB 184/09

Der vom Schuldner durch einen Erbfall während des Insolvenzverfahrens erworbene Pflichtteilsanspruch gehört zur Insolvenzmasse

Wird der während des Insolvenzverfahrens entstandene Pflichtteilsanspruch erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens anerkannt, unterliegt er der Nachtragsverteilung

Sachverhalt | BGH IX ZB 184/09

Über das Vermögen der Schuldnerin S. wurde am 30.12.2002 auf eigenen Antrag ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Am 8.7.2003 verstarb der Vater der S., welcher den Bruder der S. als Alleinerben eingesetzt hatte. Nach Ankündigung der Restschuldbefreiung hob das Insolvenzgericht am 17.6.2004 das Insolvenzverfahren auf. Am 6.6.2004 hatte S. gegen ihren Bruder Klage auf Anspruch des Pflichtteils erhoben. Die Klage hatte durch das rechtskräftige Urteil vom 16.1.2009 Erfolg. Zuvor endete am 30.12.2008 die Laufzeit der Abtretungserklärung. Am 2.4.2009 ordnete das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung hinsichtlich des zugesprochenen Anteils an.

Entscheidung | BGH IX ZB 184/09

Die Anordnung einer Nachtragsverteilung ist im Verbraucherinsolvenzverfahren möglich. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein Schlusstermin nach § 197 InsO stattgefunden hat. Zu diesem müssen nicht alle Verfahrensbeteiligten geladen werden. Eine öffentliche Bekanntmachung, wie im vorliegenden Fall reicht aus (§197 II, § 74 I S. 1, § 9 InsO). Zu Unrecht bringt die Rechtsbeschwerde den Einwand vor, dass die Anordnung der Nachverteilung wegen Verfristung unzulässig sei. Der darauf gerichtete Antrag des Insolvenzverwalters ist nach § 203 I InsO gerade nicht an eine Frist gebunden. Zu Recht wurde angenommen, dass eine Nachverteilung möglich ist, wenn nach dem Schlusstermin Gegenstände der Insolvenzmasse ermittelt werden. Am 8.7.2003 entstand der Pflichtteilsanspruch der Schuldnerin, somit gehörte er ab diesem Zeitpunkt zu ihrem Vermögen und damit zur Insolvenzmasse. Der Pflichtteilsanspruch kann nur nach § 852 I ZPO der Pfändung unterworfen werden. Nach gefestigter Rechtssprechung des BGH kann der Pflichtteilsanspruch aber schon vor der vertraglichen Anerkennung oder Rechtshängigkeit als in seiner Verwertbarkeit aufschiebend bedingter Anspruch gepfändet werden (BGH, Urt. v. 8.7.1993 – IX ZR 116/92). Für die Zuordnung des Pflichtteilsanspruchs zur Insolvenzmasse ist entscheidend, ob der Erbfall vor oder nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Im vorliegendem Fall hat die Schuldnerin den, während des Insolvenzverfahrens, angefallenen Pflichtteilsanspruch erst nach Einstellung des Verfahrens geltend gemacht. Nach h. A. hat eine Nachtragverteilung nach § 203 InsO zu erfolgen, weil der nachträglich eingeklagte Anspruch während des Verfahrens in das Vermögen der Schuldnerin gelangt und damit als Neuerwerb zu behandeln ist. Was zur Folge hat, dass der Anspruch, den S gem. § 35 I InsO erlangt hat, zur Insolvenzmasse gehört. Dies entspricht nach Auffassung des BGH auch den Zweck der § 36 I InsO und § 852 I ZPO. Der Pflichtteilsanspruch wurde i. S. v. § 203 I Nr. 3 InsO ermittelt, denn Gegenstände sollen auch dann zur Masse hinzuzurechnen sein, wenn sie während der Verfahrensdauer tatsächlich nicht verwertbar waren. Der Nachtragsvereilung stand die abgelaufene Abtretungserklärung nach § 287 II S. 1 InsO nicht entgegen.

Praxishinweis | BGH IX ZB 184/09