30.03.2011
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
21.06.2010
II ZR 219/09
ZIP 2010, 2397, 2399
Anspruch auf Offenbarung der Namen und Anschrift anderer Vereinsmitglieder [ PDF ]
Der Beklagte ist ein Verbraucherschutzverein, zu denen auch die Kläger zählen. An der Mitgliederversammlung des Beklagten nimmt jedoch nur ein verschwindend kleiner Teil der mehr als 50 000 Mitglieder teil. Aus Anlass einer – aus Sicht der Kläger vom neuen Vorstand vollzogenen – Richtungsänderung des Vereins und einer anstehenden Satzungsänderung, verlangten die Kläger die Herausgabe der Mitgliederliste, mit dem Ziel mit den anderen Vereinsmitgliedern in Kontakt zu treten und einen maßgeblichen Teil der anderen Vereinsmitglieder zu dem Zweck zu erreichen, diesen ihre hiergegen gerichteten Bedenken zur Kenntnis bringen und gegebenenfalls eine Opposition gegen die eingeschlagene Richtung organisieren zu können. Der Verein verwehrte Ihnen dies wegen datenschutzrechtlicher Bedenken. Ein Anspruch auf Herausgabe von Mitgliederdaten sei einzig zur Vorbereitung eines konkreten Minderheitsbegehrens nach § 37 BGB zulässig, nicht hingegen zum Zwecke sonstiger Kontaktaufnahmen. Diese könnten ebenso gut – aber für die Mitglieder weniger belastend – über den im Internet abrufbaren Newsletter sowie Veröffentlichungen im Vereinsblatt erfolgen. Das OLG Hamburg hatte der Klage stattgegeben und den Klägern auch außerhalb eines konkreten Minderheitsbegehrens nach § 37 BGB das Recht auf Einsicht in die Daten der übrigen Vereinsmitglieder grundsätzlich zugestanden mit der Maßgabe, dass die Mitgliederliste an einen Treuhänder herauszugeben ist. Der Datentreuhänder sollte die Mitteilungen, welche die Kläger den Mitgliedern zukommen lassen wollen, auf unzulässigen Inhalt prüfen und nur denjenigen Mitgliedern weiterleiten, welche der Kontaktaufnahme nicht widersprochen haben (OLG Hamburg, GWR 2009, 395).
Der II. Zivilsenat des BGH hat die Revision des Beklagten nach § 552a ZPO zurückgewiesen; das OLG habe die Revision zu Unrecht zugelassen. Aus dem Umstand das in anderen Gesetzen (zB § 67 Abs. 6 AktG, § 31 GenG und § 51a GmbHG ) Einsichtsrechte positiv geregelt sind, kann kein Umkehrschluss in Bezug auf eine fehlende Regelung im Vereinsrecht gezogen werden. Die Mitgliederversammlung des Beklagten, an der nur ein verschwindend kleiner Teil der mehr als 50 000 Mitglieder teilnimmt, biete kein ausreichendes Forum, um aus Anlass einer – aus ihrer Sicht vom neuen Vorstand vollzogenen – Richtungsänderung des Vereins, einen maßgeblichen Teil der anderen Vereinsmitglieder zu erreichen. Unter den gegebenen Umständen muss es den Mitgliedern überlassen bleiben, auf welchem Weg und an welche Mitglieder sie herantreten wollen, um – aus ihrer Sicht – erfolgversprechend auf die vereinsrechtliche Willensbildung Einfluss nehmen zu können. Sie müssen sich nicht darauf verweisen lassen, mit anderen Mitgliedern über das vom Beklagen eingerichtete Internetforum oder die Mitgliederzeitung in Kontakt zu treten oder ihr Anliegen durch Beteiligung an dem Mitgliederbeirat zu verfolgen. Dem Herausgabeverlangen der Kläger stehen zudem keine schützenswerten Belange der anderen Vereinsmitglieder entgegen. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass die Vereinsmitglieder in eine gewollte Rechtsgemeinschaft zu den anderen, ihnen weitgehend unbekannten Mitgliedern des Beklagten getreten sind. Deshalb haben sie es hinzunehmen, dass die Kläger in berechtigter Verfolgung vereinspolitischer Ziele mittelbar über einen Treuhänder an sie herantreten, wenn sie nicht von dem ihnen eingeräumten Widerspruchsrecht Gebrauch machen.
Aus der Sicht der betroffenen Gesellschaften ist es in Herausgabeprozessen oftmals schwierig, den Nachweis zu führen, dass das vorgetragene „berechtigte“ Interesse an den Daten nur vorgeschoben ist. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an den Missbrauchsnachweis sind zumeist kaum erfüllbar (vgl. etwa OLG München, BeckRS 2010, 13298).