Virtuelle Gesellschafterversammlungen – neue Rechtslage

14.09.2021

 

Die Zulässigkeit von virtuellen Gesellschafterversammlungen ist gerade in Pandemiezeiten ein ganz wichtiges und viel diskutiertes Thema. Die Rechtslage ist bisher noch unklar und es muss nach einem großen Teil der Literatur differenziert werden zwischen Zustimmungsbeschlüssen zu Umwandlungsmaßnahmen und anderen Zustimmungsbeschlüssen. Für die einzelnen Rechtsträger wurden am 09.09.2021 die entsprechenden Regelungen der §§ 1 - 3, 5 des GesRuaCOVBekG bis zum 31.08.2022 verlängert. Demnach stellt sich die Rechtslage derzeit wie folgt dar:

I. Aktiengesellschaft

Bei der Aktiengesellschaft sind auf der Basis der nun bereits mehrfach geänderten Regelungen virtuelle Hauptversammlungen möglich. Dies erfasst auch die Zulässigkeit von Zustimmungsbeschlüssen zu Umwandlungsmaßnahmen nach herrschender Meinung. Das grundsätzliche Erfordernis des § 13 UmwG, das eine Präsenzversammlung erfordert, wird hier wohl durch die Sonderregelungen des COVID-19-Maßnahmegesetzes überspielt.

II. KGaA & SE

Für die KGaA und die SE mit Sitz in Deutschland dürften die gleichen Regelungen gelten wie für eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland. Dies bedeutet, dass virtuelle Zustimmungsbeschlüsse, jedenfalls so lange die Sonderregelungen des COVID-19-Maßnahmegesetzes in Kraft sind, zulässig sind und dies erfasst auch die Zustimmung zu Umwandlungsmaßnahmen.


III. GmbH

Zur GmbH hat der Gesetzgeber bisher nur eine Sonderregelung zu § 48 Abs. 2 GmbHG getroffen. Hier steht eine starke Auffassung der Literatur auf dem Standpunkt, dass Umlaufbeschlüsse durch den Gesetzgeber nur insoweit ermöglicht wurden, als die Satzung keine Sonderregelungen enthält. Legt bspw. die Satzung aber fest, dass ein Umlaufbeschluss nur mit Zustimmung aller Gesellschafter zulässig ist, so bleibt er auch unter Geltung der Sonderregelungen in der COVID-19-Pandemie nur mit Zustimmung aller Gesellschafter zulässig. Diese Rechtsauffassung vertritt auch das LG Stuttgart [(v. 11. 11. 2020 – 40 O 46/20 KfH, EWiR 2021, 233 (Heckschen); v. 11.01.2021 – 44 O 52/20 KfH, GWR 2021, 144 (Heckschen)].

Virtuelle Zustimmungsbeschlüsse werden von einer starken Auffassung in der Literatur für nicht zulässig gehalten. Sieht allerdings die Satzung derartige Beschlussfassungen vor, so dürfte auf der Grundlage der entsprechenden Satzungsbestimmungen auch eine virtuelle Gesellschafterversammlung möglich sein. Inwieweit diese dann auch einen Zustimmungsbeschluss zu Umwandlungsmaßnahmen fassen kann, ist allerdings äußerst strittig. Solange die Rechtslage nicht geklärt ist, sollte darauf verzichtet werden, in virtuellen Gesellschafterversammlungen die Zustimmung zu Umwandlungsmaßnahmen zu erklären. Es sollte hier mit Vollmachten operiert werden.


IV. Verein

Die Rechtslage zu Vereinen ist noch nicht vollständig geklärt. Eine starke Auffassung in der Literatur ist grundsätzlich auf Basis der COVID-19-Maßnahmegesetze der Auffassung, dass alle Beschlussfassungen bei einem Verein auch virtuell erfolgen können. Dies soll auch Zustimmungsbeschlüsse zu Umwandlungsmaßnahmen erfassen. In diese Richtung tendiert auch das OLG Karlsruhe (v. 26.03.2021 – 1 W 4/21 (WX), ZIP 2021, 1323). Absolute Rechtssicherheit hat der Verein aber nur dann, wenn er jedenfalls bei der Zustimmung zu Umwandlungsmaßnahmen auf eine Präsenzversammlung, ggf. unter Zustimmung durch Bevollmächtigte, setzt.


V. Genossenschaften

Bei Genossenschaften war die Rechtslage sehr unklar. Eine ganz aktuelle Entscheidung des OLG Karlsruhe (v. 26.03.2021 – 1 W 4/21 (WX), ZIP 2021, 1323) zu einer Vertreterversammlung einer Genossenschaft besagt, dass eine virtuelle Beschlussfassung jedenfalls zu einer Umwandlungsmaßnahme nicht möglich ist. Der Fall war aber auch dadurch gekennzeichnet, dass eine virtuelle Beschlussfassung in der Satzung der Genossenschaft nicht vorgesehen war. Diese Entscheidung des OLG Karlsruhe, die noch beim BGH in der Überprüfung ist, war Anlass für den Gesetzgeber, eine auf die Genossenschaft begrenzte Neuregelung im Rahmen der Novellierung § 3 Abs. 1 Satz 1 COVMG durchzuführen. Im Rahmen des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe hat der Gesetzgeber in Art. 32, 36 mit Rückwirkung auf den 28.03.2020 eine Klarstellung aufgenommen, die besagt, dass General- und Vertreterversammlungen auch im Rahmen von virtuellen Versammlungen abgehalten werden können. Dies gilt auch dann, wenn in der Satzung eine derartige Option nicht vorgesehen ist. Wörtlich heißt es in § 3 Abs. 1 Satz 5 COVMG:

„Für Vertreterversammlungen im Sinne des § 43a GenG gelten die Sätze 1 – 4 entsprechend. Insbesondere sind auch virtuelle Vertreterversammlungen ohne physische Präsenz der Vertreter ohne entsprechende Regelung in der Satzung zulässig.“

Darüber hinaus enthalten die Neuregelungen nicht nur Festlegungen zur Frage des Ob einer derartigen Versammlung, sondern auch zu der Frage, wie diese durchzuführen ist. Insbesondere ist dort festgelegt, dass die Art der Stimmabgabe durch das einzelne Mitglied zu vermerken ist. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/30516, S. 72) sieht der Gesetzgeber ausdrücklich vor, dass „solche virtuellen Versammlungen entgegen einigen in Teilen der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten nach § 43 Abs. 7 GenG (EENG) bereits bisher zulässig sind, sofern die Satzung ein entsprechendes Regelwerk vorsieht, durch das sichergestellt ist, dass die Rechte aller Mitglieder gewahrt bleiben und die Ordnungsmäßigkeit der Stimmabgabe gewährleistet ist.“

Nach Auffassung derjenigen, die diese neue gesetzliche Regelung erstmals würdigen, erstreckt sich die Zulässigkeit derartiger virtueller Versammlungen auch auf eine Versammlung, die die Zustimmung zu einer Umwandlungsmaßnahme beschließt.

 

VI. Personen(handels)gesellschaften

Bei Personen(handels)gesellschaften sind virtuelle Versammlungen zulässig, wenn dies der Gesellschaftsvertrag – was selten der Fall ist – ausdrücklich vorsieht. Leider wurden in der Praxis auch bis heute keine Konsequenzen aus der Pandemielage gezogen (krit. dazu Heckschen/Strnad, GmbHR 2020, 807). Ungeklärt ist die Frage, ob auch die Zustimmung zu einer Umwandlungsmaßnahme in einer derartigen virtuellen Versammlung erklärt werden kann.