Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus - Was Sie zur transmortalen und postmortalen Vollmacht wissen sollten

Die Errichtung einer → Vorsorgevollmacht sollte für jeden erwachsenen Bürger, der eine Vertrauensperson um sich hat, eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Dennoch haben die meisten Deutschen keine Vorsorgevollmacht errichtet. Dies gilt gleichermaßen für Verbraucher wie → Unternehmer und sogar im Kreis derjenigen, die professionell beratend tätig sind (Rechtsanwälte, Steuerberater, Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer etc.) ist festzustellen, dass die Mehrheit keine Vorsorgevollmacht errichtet hat. Es ist auch festzustellen, dass dies sogar häufig dort gilt, wo professionell ältere Menschen betreut werden. Gerade bei denjenigen, die diese Pflegeheime, Seniorenresidenzen etc. betreuen oder sogar leiten oder deren Inhaber sind, ist die Vorsorgevollmacht wenig verbreitet. Es gilt hier der alte Satz, dass der Schuster oft selbst die schlechtesten Leisten hat.

Die Vorsorgevollmacht zielt darauf ab, Situationen zu bewältigen, in denen man selber nicht handeln kann, weil man etwa geschäftsunfähig ist, oder aber nicht handeln möchte, weil man sich für längere Zeit ins Ausland bewegt etc.

Über die Frage, ob man eine derartige Vollmacht auch über den eigenen Tod hinaus errichten kann, machen sich die Beteiligten häufig gar keine Gedanken. Das deutsche Recht regelt diese Frage zwar nicht ausdrücklich, es entspricht aber der ganz herrschenden Meinung, dass eine solche transmortale Vollmacht auch über den Tod hinaus errichtet werden kann. Viele Rechtsordnungen dieser Welt lassen Vollmachten dieser Art nicht zu, in Deutschland sieht dies die ganz herrschende Meinung trotz fehlender Regelung im BGB anders.

Wer also Vermögen im Ausland hat oder sich sehr häufig im Ausland aufhält, sollte sich vor Ort juristisch beraten lassen, ob die in Deutschland errichtete Vorsorgevollmacht generell dort anerkannt wird und speziell, ob eine Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus anerkannt wird.

Von der transmortalen Vollmacht ist die sog. postmortale Vollmacht zu unterscheiden. Diese ist in Deutschland ebenfalls zulässig und soll nur und erst nach dem Tod des Vollmachtgebers Wirkung entfalten (s. nachfolgend im Text).

 

Sinn einer Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus (sog. transmortale Vollmacht)

Handlungsfähigkeit sichern

Der Sinn einer Erstreckung der Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus besteht darin, dass mit dem Tod häufig eine Vielzahl von Fragen zu entscheiden ist, die ansonsten die Erben zu entscheiden haben. Die Erben haben aber regelmäßig das Problem, dass sie sich als solche nicht ausweisen können, da sie noch keinen Erbschein in der Hand halten oder das diesen Erbschein ersetzende notarielle Testament mit Eröffnungsprotokoll noch nicht vorliegt. Es entsteht also ein Vakuum. Dies wird sofort bewusst, wenn es um die Regelung des Begräbnisses und der Totenfürsorge geht. Es ist daher auf jeden Fall sinnvoll, eine sog. Totenfürsorgevollmacht zu errichten und diesen speziellen Handlungsbedarf durch eine derartige Vollmacht abzudecken. In unserer Praxis wird das Totenfürsorgerecht regelmäßig von allen Klienten dem Vorsorgebevollmächtigten oder einem der Vorsorgebevollmächtigten in der notariell errichteten Urkunde übertragen.

 

Zeit sparen

Häufig dauert es Wochen, manchmal sogar Monate, bis sich die Erben durch einen Erbschein entsprechend legitimieren können, da vor allem die Bearbeitungszeiten bei den Nachlassgerichten teilweise (nicht nur wegen Corona) enorm lang sind. Existiert in diesem Zeitraum keine Vorsorgevollmacht, die über den Tod hinaus geht und somit mit dem Tod des Vollmachtgebers nicht erlischt, sind Handlungen gegenüber Banken, Versicherungen, Vertragspartnern, aber auch für den Verstorbenen als Gesellschafter nicht möglich. Nicht selten kann das bei Unternehmen zu einer existenzbedrohenden Krise führen. Stellt man sich die Situation vor, dass der Verstorbene Alleingesellschafter einer GmbH war, so wird schnell deutlich, dass ohne Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus die Gesellschaft nicht handlungsfähig ist. Es gibt keinen Gesellschafter, der hier auftreten könnte, und wenn dann der Verstorbene nicht nur Gesellschafter, sondern auch Geschäftsführer war, fehlt es an der Möglichkeit, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen und die Gesellschaft in die Handlungsfähigkeit zurückzuführen.

 

Kosten sparen

Die Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus kann auch dazu führen, dass der oder die Erben gar kein aufwendiges Erbscheinerteilungsverfahren durchführen müssen, sondern allein mit dieser Vollmacht alle Angelegenheiten des Verstorbenen geregelt werden können und somit die Kosten für den Antrag und die Erteilung des Erbscheins, die leicht in den vierstelligen Bereich hineingehen können, gänzlich vermieden werden.

 

Probleme bei minderjährigen Erben vermeiden

Besondere Bedeutung kann die Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus auch dann erlangen, wenn die vom Erblasser eingesetzten Erben noch minderjährig sind. Ein Handeln dieser Minderjährigen ist grundsätzlich zunächst nur mit Zustimmung beider Sorgeberechtigten möglich und wenn sich dann die minderjährigen Kinder in einer Erbengemeinschaft mit ihren Eltern befinden, muss zumindest ein Ergänzungspfleger für alle Rechtsgeschäfte bestellt werden. Darüber hinaus wird für besonders bedeutsame Rechtsgeschäfte in aller Regel eine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich. Handelt aber für den Verstorbenen nicht die allein aus den Minderjährigen oder unter anderem aus den Minderjährigen bestehende Erbengemeinschaft, sondern der Vorsorgebevollmächtigte, so kann das zeitintensive und auch finanziell aufwendige Verfahren zur Erlangung der familiengerichtlichen Genehmigung vermieden werden. Die Beteiligten müssen sich vor Augen führen, dass z.B. beim Verkauf einer Immobilie oder eines Geschäftsanteils die familiengerichtliche Genehmigung regelmäßig nur nach Vorliegen von Sachverständigengutachten erteilt wird. Die Erstellung der Sachverständigengutachten kostet Zeit und Geld.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass eine über den Tod hinausgehende, sog. transmortale Vorsorgevollmacht enorme Kostenvorteile mit sich bringen kann, ein schnelles Handeln ermöglicht und für Unternehmer, deren Unternehmen ansonsten in die Krise geraten kann, existenzsichernd ist.

 

Risiken von transmortalen Vorsorgevollmachten

Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass all diesen Vorteilen der Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus auch Risiken gegenüberstehen:

 

Große Rechtsmacht für den Bevollmächtigten / Nachteile für die Erben

Der vom Erblasser ausgesuchte Bevollmächtigte hat eine enorme Rechtsmacht nach außen: Ist seine Rechtsstellung nicht eingeschränkt, kann er grundsätzlich sämtliche Verfügungen über das Vermögen treffen und alle Entscheidungen, die nicht höchstpersönlicher Natur sind, erledigen. Dies kann sich aus der Sicht der vom Erblasser eingesetzten Erben als problematisch erweisen. Hat der Erblasser eine Erbengemeinschaft hinterlassen (→ Erbengemeinschaft), so gilt grundsätzlich für alle wichtigen Entscheidungen innerhalb der Erbengemeinschaft der Grundsatz der Einstimmigkeit. Entsteht hier Streit, könnte beispielsweise der mit der transmortalen Vorsorgevollmacht ausgestattete Bevollmächtigte und Miterbe alleine Fakten schaffen. Handelt der Bevollmächtigte entgegen den Interessen der Erbengemeinschaft, so bestehen ihm gegenüber zwar Schadensersatzansprüche, die Verfügungen, die er getroffen hat, sind aber wirksam. Es empfiehlt sich daher seitens des Erblassers und Vollmachtgebers, klare Direktiven vorzugeben, damit ein Streit zwischen Bevollmächtigtem und Erben vermieden wird.

Eine Sicherheitsmaßnahme kann auch darin bestehen, dass nicht nur ein einziger Bevollmächtigter, sondern zwei oder noch mehr Bevollmächtigte eingesetzt werden, die immer nur zu zweit / gemeinsam handeln können (sog. Vier-Augen-Prinzip).

 

Widerruf der Vollmacht

Der oder die Erben (gemeinsam) können ebenso wie ein etwa eingesetzter Testamentsvollstrecker die transmortale Vorsorgevollmacht widerrufen. Der Vollmachtgeber / Erblasser kann allerdings die Auflage / Anordnung treffen, dass ein solcher Widerruf nicht oder nur aus wichtigem Grund zulässig ist.

Es sollte daher in der Vorsorgevollmacht geregelt werden, wer diese widerrufen kann und ggf. der Erbengemeinschaft auferlegt werden, dass diese die Vollmacht grundsätzlich nicht oder nur aus wichtigem Grund widerrufen darf. Weiterhin sollte in der transmortalen Vorsorgevollmacht geregelt werden, wie ein Zusammenspiel zwischen einem Bevollmächtigtem und einem etwa ernannten Testamentsvollstrecker auszusehen hat.

 

Gefahren bei Vor- und Nacherbschaft

Hatte der Erblasser eine sog. Vor- und Nacherbschaft angeordnet, so gilt auch hier, dass bei gleichzeitiger Erteilung einer transmortalen Vorsorgevollmacht wenigstens im Verhältnis zwischen Vollmachtnehmer und Vollmachtgeber geregelt werden soll, wie und in welchem Umfang der grundsätzlich gebotene Schutz der sog. Nacherben gewährleistet bleibt. Wird hier keine entsprechende Vereinbarung mit dem Bevollmächtigten im Rahmen des mit ihm bestehenden Auftragsverhältnisses getroffen, so könnte der Sinn der Vor- und Nacherbschaft durch den Bevollmächtigten torpediert werden: Er könnte beispielsweise Vermögensgegenstände veräußern, die der Vorerbe nicht veräußern dürfte. Der Nacherbe wäre dann schutzlos gestellt. Es wäre auch zulässig, dass der Vollmachtgeber festlegt, dass der Bevollmächtigte in seiner Rechtsmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers eingeschränkt ist: So könnte beispielsweise festgelegt sein, dass er bestimmte Vermögensgegenstände eben nicht veräußern darf.

 

Vorsorgebevollmächtigter als Alleinerbe

Die überwiegende Rechtsprechung (OLG München v. 04.01.2017 – 34 Wx 382-383/16, FGPrax 2017, 65; OLG München v. 31.08.2016 – 34 Wx 273/16, NJW 2016, 3381; OLG Hamm v. 10.01.2013 - I-15 W 79/12, FGPrax 2013, 148) vertritt die Ansicht, dass eine Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus dann erlösche, wenn der Bevollmächtigte seinerseits der Alleinerbe des Vollmachtgebers ist. Entgegen dieser Auffassung hat das Kammergericht (KG v. 02.03.2021 – 1 W 1503/20, DNotZ 2021, 703) entschieden, dass die transmortale Vollmacht des bevollmächtigten Alleinerben nicht mit dem Tod des Vollmachtgebers erlischt und damit einen ausreichenden Nachweis der Vertretungsmacht für eine Grundbuchberichtigung darstellt. Einen Nachweis über die Erbfolge im Sinne des § 35 GBO sei nicht erforderlich. Diese Entscheidung wurde zwar in der Literatur begrüßt, in der Praxis ist jedoch weiterhin damit zu rechnen, dass Grundbuchämter, Banken, Versicherungen und andere Institutionen die transmortale Vollmacht des Alleinerben als ungenügend ansehen, obwohl es an einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs insoweit fehlt. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich unbedingt, für den Fall, dass der Vorsorgebevollmächtigte Alleinerbe ist, noch einen weiteren Bevollmächtigten zu ernennen und seitens des Alleinerben sollte seine Stellung als Vorsorgebevollmächtigter insbesondere gegenüber dem Grundbuchamt nicht offenbart werden.

 

Postmortale Vorsorgevollmacht

Die postmortale Vollmacht ist eine solche, die der Erblasser auf den Zeitpunkt seines Todes erteilt. Der Bevollmächtigte soll und kann also erst dann handeln, wenn der Vollmachtgeber tot ist. Diese postmortalen Vollmachten sind in Deutschland weit weniger verbreitet als die transmortalen Vollmachten. Auch postmortale Vollmachten können aber sinnvoll sein, wenn nach dem Todesfall ein schnelles Handeln ermöglicht werden soll. In vielen anderen Ländern der Welt sind postmortale Vollmachten unzulässig.

 

Form der Vorsorgevollmacht

Grundsätzlich können sowohl die transmortale (Vorsorge-)Vollmacht als auch die postmortale Vollmacht privatschriftlich erteilt werden. Befinden sich allerdings Immobilienvermögen oder Immobilienrechte sowie Gesellschaftsbeteiligungen im Nachlass, so ist eine zumindest notariell beglaubigte, sinnvollerweise aber eine notariell beurkundete Vollmacht erforderlich. Darüber hinaus gilt, dass die notarielle Vorsorgevollmacht im Rechtsverkehr eine deutlich höhere Anerkennung erfährt und zumindest die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers vom Notar überprüft wurde.

Letztlich zeigt diese kurze Übersicht auch, wie anspruchsvoll die Errichtung einer Vorsorgevollmacht insbesondere dann ist, wenn sie über den Tod hinaus gehen soll. Hier sollte also der Fachmann eingeschaltet werden, der sich mit derartigen Fragen täglich beschäftigt und dies ist der Notar. Sprechen Sie uns gern auf die hier aufgezeigten Themen an!

 

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