Umwandlung in der Krise

Mit zwei aktuellen Entscheidungen haben der BGH und das OLG Hamm sich mit Umwandlungsmaßnahmen in der Krise beschäftigen müssen. Gerade in der Krise geraten Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz häufig in den Fokus der Beteiligten. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass ein Unternehmen nach dem Umwandlungsgesetz noch solange umgewandelt werden kann, wie das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist. Auch Unternehmen, die in der Liquidation befindlich sind, können noch an derartigen Maßnahmen teilnehmen, wenn ihre Fortsetzung beschlossen werden kann. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn das Vermögen der Gesellschaft bereits verteilt wurde oder das Liquidationsverfahren darauf beruht, dass das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wurde.

Die Umwandlungsmaßnahmen stellen ein flexibles Instrument dar, um mit einer Rückwirkung (unter Geltung der Corona-Gesetzgebung derzeit sogar mit einer Rückwirkung von bis zu 12 Monaten) eine sanierende Umstrukturierung vornehmen zu können. Sie werden in der Praxis dazu benutzt, zum Beispiel aufwendige Liquidationsverfahren zu vermeiden. Nicht selten ist das Motiv auch, eine bereits eingetretene Insolvenzantragspflicht durch eine Umwandlungsmaßnahme zu „kaschieren“. Natürlich kann die Verletzung der Insolvenzantragspflicht nicht im Nachhinein beseitigt werden. In der Praxis wird aber nach einer erfolgreichen Umstrukturierungsmaßnahme selten noch strafrechtlich ermittelt.

Die beiden Verfahren vor dem BGH (v. 06.11.2018 – II ZR 199/17, NZG 2019, 187 = EWiR 2019, 101 [Heckschen]) und vor dem OLG Hamm (v. 03.11.2020 – 27 W 98/20, GWR 2021, 51 [Heckschen]) zeigen, welche Möglichkeiten Umwandlungsmaßnahmen in der Krise bieten:

Im Fall des BGH verschmolz ein Alleingesellschafter seine GmbH auf ein anderes von ihm beherrschtes Unternehmen. Dort wurde noch eine Kapitalerhöhung vorgenommen. Das Ausgangsunternehmen war mit 700.000 € überschuldet, das Zielunternehmen war weder überschuldet noch insolvenzantragspflichtig, geriet jedoch durch die Verschmelzung in die Insolvenz. Der Bundesgerichtshof ging ohne Weiteres davon aus, dass eine Umwandlungsmaßnahme grundsätzlich noch möglich war. Er folgte auch nicht der Auffassung des Insolvenzverwalters, der den Alleingesellschafter deswegen haften lassen wollte, weil er die Kapitalerhöhung durch das übertragende Unternehmen nicht werthaltig bedient hatte. Eine solche Differenzhaftung finde nicht statt. Eine Haftung bejahte der II. Zivilsenat des BGH aber dennoch, und zwar aus dem Grundsatz des sog. existenzvernichtenden Eingriffs. Der BGH stellte nämlich fest, dass die Umwandlungsmaßnahme dazu diente und dazu führte, dass das Zielunternehmen seinerseits in die Insolvenz geriet. Die Existenz sei also durch die Umwandlungsmaßnahme vernichtet worden und dies sei auch sittenwidrig, weil sich der Alleingesellschafter mit der Maßnahme ein ordentliches Liquidations- oder Insolvenzverfahren beim Ausgangsunternehmen „sparen“ wollte. Die Konsequenz der Entscheidung ist klar: Die Beteiligten und deren Berater sollten stets prüfen, inwieweit durch eine Umwandlungsmaßnahme das Zielunternehmen seinerseits in die Krise gerät. Soweit noch Minderheitsgesellschafter beteiligt sind, können diese sich im Übrigen auch gegen eine derartige Umwandlungsmaßnahme wehren. Im vorliegenden Fall hätte ein Minderheitsgesellschafter des Zielunternehmens einwenden können, dass der Beschluss, mit dem der Verschmelzung zugestimmt wurde, sittenwidrig ist. Auf diese Weise hätte er auch die Eintragung der Verschmelzung verhindern können.

Das Urteil des OLG Hamm hatte einen in der Praxis sehr häufig anzutreffenden Sachverhalt zur Ausgangslage:

Der Alleingesellschafter einer GmbH wollte diese nach §§ 120 ff. UmwG auf sich selber verschmelzen. Die Gesellschaft war überschuldet und das Handelsregister verlangte den Nachweis, dass der Alleingesellschafter seinerseits wirtschaftlich in der Lage ist, das Unternehmen aufzunehmen, ohne selber in die Insolvenz zu geraten. Das OLG Hamm vertrat mit der h.M. (vgl. dazu ausf. Heckschen, GWR 2021, 51) die Ansicht, dass ein derartiger Nachweis nicht verlangt werden könne, da der Gesetzgeber einen solchen Vermögensnachweis des Zielrechtsträgers, also des Alleingesellschafters, nicht im Gesetz vorgesehen habe. Die Verschmelzung auf den Alleingesellschafter ist in der Praxis eine Strukturmaßnahme, die häufig gewählt wird, um ein aufwendiges Liquidationsverfahren zu vermeiden. Die Beteiligten müssen sich vor Augen führen, dass bei der Liquidation einer GmbH nicht nur ein Liquidationsbeschluss erforderlich ist, sondern danach ein sog. Sperrjahr grundsätzlich abzuwarten ist. Erst danach ist die Liquidation beendet und das Erlöschen der GmbH kann im Handelsregister eingetragen werden. Dies bedeutet aber in der Regel, dass für das vergangene Jahr, für das laufende Jahr und für das folgende Jahr jeweils eine Bilanz zu erstellen ist und dies löst hohe Kosten aus. Unter der derzeit geltenden Corona-Gesetzgebung kann aber mit Rückwirkung von bis zu 12 Monaten eine Verschmelzung durchgeführt werden und so bspw. bei einer Verschmelzung im Jahr 2021 mit Rückwirkung auf das Jahr 2020 verschmolzen werden. Es ist somit nicht erforderlich, die Bilanzen für 2021 und 2022 zu erstellen. Es muss jedoch immer geprüft werden, ob in der GmbH noch Risiken liegen, die mit der Verschmelzung auf den Alleingesellschafter übergehen. Nur, wenn dies zu verneinen ist, sollte man eine derartige Strukturmaßnahme vornehmen. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob der Alleingesellschafter wirtschaftlich in der Lage ist, das übertragende Unternehmen aufzunehmen, ohne seinerseits in die Krise zu geraten.

 

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