Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer und mitarbeitenden Gesellschafter eines Unternehmens

Der Grundsatz klingt einfach: Wer Unternehmer ist, muss sich nicht sozialversichern, wer abhängig beschäftigt ist, muss dies. Viele Gesellschafter, die maßgeblichen Einfluss im Unternehmen haben, wollen sich von der Sozialversicherungspflicht befreien. Dies war bis 2015 in vielen Fällen möglich und hat sich seitdem dramatisch geändert. Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Jahr 2015 seine Rechtsprechung mit mehreren Entscheidungen (BSG v. 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R, GmbHR 2016, 533; BSG v. 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R, GmbHR 2016, 537; BSG v. 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R, GmbHR 2016, 528) geändert und akzeptiert einen Geschäftsführer / mitarbeitenden Gesellschafter als Unternehmer nur dann, wenn

  • er mindestens 50 % der Anteile hält und Geschäftsführer ist oder 50,1 % der Anteile hält und mitarbeitender Gesellschafter ist.
  • der Gesellschafter, wenn er Minderheitsgesellschafter ist, im Unternehmen mitarbeitet und ihm eine die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist.

Nach den vorgenannten Entscheidungen müssen sich diese Rechte aus der Satzung selber oder den entsprechenden Mehrheitsverhältnissen ergeben. Sie können nicht darauf beruhen, dass es neben der Satzung einen schuldrechtlichen Vertrag gibt, der z.B. eine Stimmbindung vorsieht oder Vetorechte (so auch BSG v. 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R, NZS 2018, 778).

Seither hat das Bundessozialgericht (BSG) weitere Schritte gemacht, die mit einer althergebrachten Rechtsprechung aufräumen und es vielen mitarbeitenden Gesellschaftern / Geschäftsführern unmöglich machen, Unternehmer im Sinne des Sozialversicherungsrechts zu werden.

Lange galt die sog. „Kopf-und-Seele-Rechtsprechung“. Danach konnte Unternehmer auch derjenige sein, der eine Minderheitsbeteiligung hält, aber Kopf und Seele des Unternehmens ist. Dies wurde daran festgemacht, dass der entsprechende Gesellschafter praktisch die Kunden- und Lieferantenbeziehungen koordiniert und das Unternehmen letztlich ohne ihn nicht funktioniert. Mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 hat das Bundessozialgericht (BSG) nun diese alte Rechtsprechung beendet und betont, dass nur derjenige, der entweder Mehrheitsgesellschafter ist oder aber umfassende Veto-Rechte hat, Unternehmer ist und sozialversicherungsfrei sein kann (BSG v. 19.09.2019 – B 12 R 25/18, NZS 2020, 183).

Nicht mehr nachvollziehbar ist die weitere Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R, BeckRS 2019, 43494, mit der nun auch derjenige, der die Gesellschaft über ein Treuhandverhältnis beherrscht, nicht mehr Unternehmer sein soll. Im konkreten Fall war der Geschäftsführer nicht unmittelbar Gesellschafter, hatte aber über einen Treuhandvertrag umfassende Weisungsrechte gegenüber dem Treugeber. Auch dies soll nach der neuen Rechtsprechung nicht mehr ausreichend sein.

Auch die Rechtsprechung in den Instanzen geht in die gleiche Richtung. So wird darauf hingewiesen, dass sich Veto-Rechte nicht aus schuldrechtlichen Vereinbarungen ergeben dürfen, sondern in der Satzung verankert sein (LSG Berlin-Brandenburg v. 06.05.2020 – L 9 BA 54/19, DStR 2020, 1453; LSG Hessen v. 03.06.2020 – L 3 U 150/19, BeckRS 2020, 18524) und sich auf alle Geschäfte des Unternehmens beziehen müssen. Eine Sperrminorität, die sich nur auf bestimmte Gegenstände bezieht, ist insoweit nicht ausreichend (LSG Baden-Württemberg v. 30.04.2020 – L 10 BA 1483/19, DStR 2020, 1691).

Daraus ergibt sich, dass in weitem Umfang Geschäftsführer, die keine Mehrheitsgesellschafter sind und – wie in der Regel – keine umfassenden Weisungsrechte haben, sozialversicherungspflichtig sind und es in der Vergangenheit auch schon waren. Soweit die Sozialversicherungsfreiheit nicht in einem sog. Statusverfahren bestandskräftig festgestellt worden ist, droht in vielen Fällen eine Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie die Pflicht, Säumniszuschläge zu zahlen.

Die Problematik hat auch für Unternehmenskaufverträge enorme Bedeutung. Der Verkäufer sollte im Vorfeld überprüfen, inwieweit hier ein Risiko besteht und die Arbeitsverhältnisse mit mitarbeitenden Gesellschaftern / Geschäftsführern daraufhin überprüfen, ob sie der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts standhalten. Für die Zukunft ist es im Zweifelsfall unbedingt anzuraten, ein Statusverfahren durchzuführen. Der Käufer eines Unternehmens kann hier mit Risiken belastet werden, die eine enorme Dimension haben. Er wird im Unternehmenskaufvertrag darauf Wert legen müssen, dass diese Risiken beim Verkäufer bleiben und Verjährungsregelungen und Regelungen zur Haftungsbegrenzung so gestalten, dass die vorgenannten Risiken minimiert werden.

Soweit für die Zukunft Sozialversicherungsfreiheit gesichert werden soll und diese einem Minderheitsgesellschafter gewährt werden soll, sind wir bei der Satzungsgestaltung gerne behilflich.

 

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