Hybride und virtuelle Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht – Gesetzliche Neuerung

Nachdem die virtuelle und hybride Gesellschafterversammlung für die AG, die GmbH und die Genossenschaft bereits in neuen gesetzlichen Regelungen verankert, aber die Regelungen zur virtuellen Gesellschafterversammlung bei der Personengesellschaft noch unklar ist, hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 03.03.2023 (BR-Drs. 55/23) einer Änderung des § 32 BGB zur Ermöglichung von virtuellen und hybriden Mitgliederversammlungen von Vereinen zugestimmt. Dieser wurde vom Bundepräsidenten am 14.03.2023 ausgefertigt und unterschrieben und ist seit dem 21.03.2023 in Kraft.


1. Bisherige Regelungen zur virtuellen Mitgliederversammlung

Im Ausgangspunkt gingen die Verfasser des BGB aufgrund der fehlenden technischen Möglichkeiten von der Präsenzversammlung als Regelfall aus. Mit der Einführung des § 40 BGB wurde darauf verwiesen, dass andere Regelungen möglich sind, sofern die Satzung diese bestimmt. Im vorherigen § 32 II BGB wird weiterhin bestimmt, dass ein Beschluss auch gültig sein soll, wenn alle Mitglieder die Zustimmung schriftlich erklären. Somit ist, auch nach überwiegender Meinung, eine virtuelle Mitgliederversammlung zulässig, wenn die Satzung des Vereins dies ermöglicht. Jedoch wird teilweise vertreten, dass eine nachträgliche Satzungsänderung, die mit einer Dreiviertel-Mehrheit beschlossen werden muss, unzulässig ist, da sich Mitglieder nicht ausreichend auf die Änderungen einstellen könnten.  Ein Internetzugang ist heutzutage kein unzumutbares Hindernis mehr, womit das oft angebrachte Argument der Benachteiligung der nicht technikversierten Mitglieder nicht angebracht ist. Schon vor der anstehenden Änderung des § 32 BGB war somit eine virtuelle Versammlung analog § 32 II BGB auch ohne Satzungsänderung bei Zustimmung sämtlicher Mitglieder zulässig, jedoch konnte dieser Beschluss der Mitglieder nur getroffen werden, wenn alle Mitglieder diesem schriftlich zustimmten. Eine einzige Stimmenthaltung oder Stimme dagegen, würde einen solchen Beschluss für unwirksam erklären.

Während der Corona-Pandemie wurden die Grundsätze der Präsenzversammlung durch das COVMG temporär modifiziert, sodass eine virtuelle Versammlung ohne eine entsprechende Satzungsänderung möglich war. Auch konnten im Rahmen der Regelungen des COVMG Stimmen schriftlich und ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung abgegeben werden. Diese Regelungen sind jedoch zum 31.08.2022 ausgelaufen.

 

2. Neue Entscheidungen des BGH und OLG Karlsruhe

Die Entscheidung des BGH vom 05.10.2021 bestätigte, dass auch Entscheidungen zur Umwandlung einer Gesellschaft im Rahmen einer virtuellen Versammlung getroffen werden können, sofern dies nach dem Gesetz oder der Satzung der jeweiligen Gesellschaft zulässig ist. Weiterhin müssen hier die Modalitäten im Einzelfall geeignet sein, den Versammlungszweck zu erfüllen (sog. Funktionsäquivalenz). Es wurden jedoch keine genauen Voraussetzungen genannt.

In dem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 11.01.2022 ging es konkret um die Verschmelzung eines Vereins, die vom Registergericht zurückgewiesen wurde, da die Entscheidung zur Verschmelzung in einer virtuellen Versammlung (Videokonferenz) getroffen wurde. Die Begründung für die Zurückweisung der Eintragung vom und beim Registergericht war, dass eine Umwandlung eines Vereins nicht in einer virtuellen Versammlung beschlossen werden kann. Die Beschwerde des Vereins vor dem OLG Karlsruhe gegen die Zurückweisung der Eintragung hatte Erfolg. Das OLG führte aus, dass im Umwandlungsrecht kein Präsenzzwang niedergeschrieben ist und lediglich die Funktionsäquivalenz zu einer Präsenzversammlung gegeben sein muss.

Aus der Rechtsprechung wird somit klar, dass eine virtuelle Versammlung wohl möglich sein soll und dass durch bestimmte Anforderungen diese einer Präsenzveranstaltung möglichst nahekommen soll.

 

3. Änderung im BGB

Durch Änderung im BGB, steht nun anstelle des vorherigen Absatz 2 des § 32 BGB folgender neuer Absatz 2:

„(2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“

Die Einberufung der Mitgliederversammlung kann nunmehr gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BGB sowohl in Präsenzform als auch in hybrider Form erfolgen. Bei einer hybriden Mitgliederversammlung können die Vereinsmitglieder persönlich vor Ort teilnehmen, haben aber gleichzeitig die Möglichkeit, sich virtuell der Versammlung zuzuschalten. Das einberufende Organ ist daher nach wie vor verpflichtet, einen Versammlungsort zu organisieren, der über ausreichende Kapazitäten für alle Mitglieder verfügt. Die Entscheidung, nur die Einberufung hybrider (und nicht rein virtueller) Versammlungen ohne vorherige Satzungsänderung zuzulassen, beruht auf der Befürchtung des Gesetzgebers, dass andernfalls die vereinsinterne Demokratie stark leiden könnte (siehe BT-Dr. 20/5585, S. 8).

Darüber hinaus kann das Einberufungsorgan nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB durch Mehrheitsbeschluss ermächtigt werden, einzelne oder alle künftigen Mitgliederversammlungen rein virtuell abzuhalten. Dabei ist zu beachten, dass die Versammlung, in der diese Ermächtigung beschlossen wird, nicht rein virtuell abgehalten werden kann, da die Ermächtigung nur für künftige Versammlungen gilt. Die virtuelle Versammlungsform schließt die Anwesenheit der Mitglieder vor Ort aus. Die Teilnahme an der Versammlung, sowie die gesamte Beschlussfassung einschließlich der Stimmabgabe und die sonstige Ausübung der Mitgliedschaftsrechte erfolgen ausschließlich im Wege der elektronischen Kommunikation. Dabei ist elektronische Kommunikation, in Anlehnungparallel zu an die den Bestimmungen für andere Gesellschaftsformen, als Video- oder oder Telefonkonferenz oder als eine Absprache und Abstimmung per Chat oder E-Mail zu verstehen. Die Ermächtigung kann durch einen Beschluss wieder entzogen werden.

Bei der Einberufung der hybriden oder virtuellen Mitgliederversammlung ist gemäß § 32 Abs 2 Satz 3 BGB zudem stets anzugeben, welche Möglichkeiten zur Teilnahme und Ausübung der Rechte der Mitgliedern zur Verfügung stehen. So können sich die Mitglieder im Vorfeld vergewissern, ob sie über die notwendigen technischen Voraussetzungen verfügen.

 

4. Fazit

Durch die Anpassung des § 32 BGB ist seit dem 21.03.2023 auch eine hybride Versammlung möglich, ohne dass eine Satzungsänderung vorgenommen werden muss. Die virtuelle Versammlung muss weiterhin in der Satzung durch Beschluss aufgenommen werden, wird aber auch ermöglicht. Eine solche Anpassung des Vereinsrechts an das Genossenschaftsrecht und auch an das Gesellschaftsrecht ist im Ansatz zu begrüßen, da es unter Betrachtung dieser Institutionen nur gerecht erscheint allen Zusammenschlüssen die gleichen Möglichkeiten zur Beschlussfassung und Versammlung zu geben. Richtiger wäre es allerdings gewesen, die Entscheidung, ob virtuelle Versammlungen durchgeführt bzw. ermöglicht werden sollen – wie bei der AG/ GmbH/ Personengesellschaft - den Mitgliedern zum Entschluss zu überlassen. Es sind auch hier, wie bei allen Gesellschaften, technische Hindernisse und Anfälligkeiten in Datenschutzbelangen zu beachten und etwaige Schwierigkeiten diesbezüglich nicht zu unterschätzen. So ist zu beachten, dass eine nonverbale Kommunikation über Gestik und Mimik auch bei einer Videokonferenz verloren gehen kann, auf ausreichend Geheimhaltung und insbesondere bei Abstimmungen auf die Identität der Teilnehmer zu achten ist, damit Abstimmungsergebnisse nicht verfälscht werden. Diese müssen sich jedoch bei jeglicher Einberufung einer hybriden oder vollständig virtuellen Versammlung vor Augen geführt werden.

Weitere Vertiefung der Problemstellungen bei virtuellen Versammlungen und Lösungsansätzen dazu im Vereinsrecht und bei Personengesellschaften siehe auch Beiträge von Prof. Dr. Heckschen in der NZG 2022, 1241 und ZPG 2023, 41.

 

» Zur Startseite