Höhere Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Immobilienvermögen durch Änderung des BewG

I.    Einleitung

Das BVerfG hat 2006 in seinem zweiten Erbschaftssteuerbeschluss dem Gesetzgeber den Auftrag gegeben, die steuerliche Bewertung von Immobilien stärker am realen Verkehrswert zu orientieren (BVerfG, Beschl. v. 07.11.2006 - 1 BvL 10/02 Rz. 103 ff., NJW 2007, 573 (575 f.)). Andernfalls verstoße die Bewertung gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Denn bei einer Steuer, die wie die Erbschafts- und Schenkungssteuer an einen Substanzgewinn anknüpft, muss sich die Bemessung der Steuer am Wert des Zuwachses orientieren, so das BVerfG. Ist eine Veräußerung des Gegenstandes möglich, muss daher der Verkehrswert maßgebend für die steuerliche Bewertung sein. Dieser fließt dem Empfänger schließlich unmittelbar zu.

Diese Anweisung hat der Gesetzgeber nun umgesetzt. Das am 16.12.2022 beschlossene Jahressteuergesetz 2022 beinhaltet unter anderem Änderungen des BewG, die zum 21.12.2022 in Kraft getreten sind. Die für den Immobilienwert bedeutendsten Änderungen werden im Folgenden kurz dargestellt.

 

II.    Grundlagen

Die Wertermittlung nach dem BewG unterscheidet sich gemäß § 182 BewG je nach Immobilientyp und wird für bebaute Grundstücke im Vergleichswertverfahren (§ 183 BewG), im Ertragswertverfahren (§ 184 ff. BewG), oder im Sachwertverfahren (§ 189 ff. BewG) vorgenommen.

Das Ertragswertverfahren baut dabei maßgebend auf den Cash-Flows einer Immobilie auf und generiert aus diesen mithilfe eines Liegenschaftszinssatzes und der Restnutzungsdauer der Immobilie einen Immobilienwert. Beim Sachwertverfahren hingegen spielen der Bodenwert und der Gebäudesachwert der Immobilie die zentrale Rolle.

Unbenommen bleibt gemäß § 198 BewG die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, einen niedrigeren Immobilienwert nachzuweisen. Auch für diese Wertermittlung gilt gemäß § 198 Abs. 1 S. 2 BewG die ImmoWertV.

 

III.    Aktualität der Vergleichswerte

Für die Bewertungsverfahren spielen Vergleichswerte eine enorme Rolle, denn diese bieten die Grundlage des Bewertungsverfahrens. Sie werden gemäß § 188 Abs. 2 S. 1 BewG von den Gutachterausschüssen regelmäßig festgelegt. Die Aktualität dieser Vergleichswerte wird nunmehr durch § 177 Abs. 2 S. 2 BewG sichergestellt. Dabei können gem. § 177 Abs. 2 S. 5 BewG ältere Vergleichswerte nur dann zur Bewertung herangezogen werden, „soweit sich die maßgeblichen Wertverhältnisse nicht wesentlich geändert haben“.

 

IV.    Erhöhung der Gesamtnutzungsdauer

Die Restnutzungsdauer spielt sowohl im Ertragswertverfahren als auch im Sachwertverfahren eine Rolle. In Anlage 22 zum BewG wird die Gesamtnutzungsdauer von Ein- und Zweifamilienhäusern, Mietwohngrundstücken, Mehrfamilienhäusern, Wohnungseigentum, Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken nun von 70 auf 80 Jahre erhöht. Das erhöht den Immobilienwert. Weiter wird die Verkürzung der Restnutzungsdauer abgeschafft. Gemäß § 185 Abs. 3 S. 7 BewG kann die Restnutzungsdauer bei nutzbaren Gebäuden nun lediglich im Falle einer Abbruchverpflichtung unter die Mindestgrenze von 30 % der Gesamtnutzungsdauer fallen.

 

V.    Erhöhung der Wertzahlen im Sachwertverfahren

Im Sachwertverfahren wird die Summe aus Bodenwert und Gebäudesachwert mit einem Multiplikator verrechnet, der sogenannten Wertzahl nach § 191 BewG. Aus Anlage 25 zum BewG ergeben sich die pauschalen Wertzahlen. Diese kommen gem. § 191 S. 1 BewG dann zur Anwendung, wenn keine Zahlen von den Gutachterausschüssen für die zu bewertende Immobilie vorliegen. Die pauschalen Wertzahlen wurden nun erhöht und ausweislich der Gesetzesbegründung an das aktuelle Marktniveau angepasst. Die Erhöhungen wirken sich massiv auf die Bewertung aus, teilweise kam es zu Erhöhungen um 100 %.

 

VI.    Einführung eines Regionalfaktors im Sachwertverfahren

Dem Sachwertverfahren wurde nun außerdem ein Regionalfaktor hinzugefügt, der regionale Baukostenunterschiede abbildet und diese in den Gebäudesachwert einfließen lässt. Da dem Gebäudesachwert im Sachwertverfahren entscheidende Bedeutung zukommt, kann der Regionalfaktor die Bewertung ebenfalls bedeutend beeinflussen.

 

VII.    Herabgesenkte Liegenschaftszinssätze im Ertragswertverfahren

Der Liegenschaftszinssatz spiegelt die Rendite der Immobilie wider. Er ist im Ertragswertverfahren relevant. Hier wird der Immobilienwert als Summe von Bodenwert und Gebäudeertragswert errechnet. Der Gebäudeertragswert wiederum wird gemäß § 185 BewG (vereinfacht ausgedrückt) auf Grundlage von Ertrag und einem Vervielfältiger aus Liegenschaftszinssatz und Restnutzungsdauer der Immobilie errechnet.

Der pauschale Liegenschaftszinssatz (§ 188 Abs. 2 S. 2 BewG) wird nun herabgesetzt. Soweit für eine Immobilie also kein Liegenschaftszinssatz vom Gutachterausschuss zur Verfügung gestellt wird und der pauschale Satz zur Anwendung kommt, steigt daher die Bewertung. Denn bei gleichbleibenden Einnahmen und niedrigerem Zinssatz steigt notwendigerweise der Immobilienwert, der sich gemäß § 185 Abs. 3 S. 1, 2 BewG als Quotient von Gebäudereinertrag und Vervielfältiger darstellt.

 

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