Die Einladung des toten Mitgesellschafters zur Gesellschafterversammlung

I. Einführung

In diesem Jahr hatte sich das OLG Karlsruhe mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit ein Notgeschäftsführer bestellt werden kann, wenn der geschäftsführende Gesellschafter verstirbt und die Erbenstellung noch unklar ist. Ein Notgeschäftsführer kann bestellt werden, wenn die GmbH geschäftsführerlos ist und die Gesellschafterversammlung nicht in der Lage ist, selbst einen Geschäftsführer zu bestellen. Notwendig ist ein Geschäftsführer u.a., um eine geänderte, z.B. den Erbfall berücksichtigende, Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen.

Ein neuer Geschäftsführer wird gem. § 46 Nr. 5 GmbHG von der Gesellschafterversammlung bestellt, zu welcher normalerweise der Geschäftsführer einlädt, § 49 Abs. 1 GmbHG. Aber auch die Gesellschafter können gem. § 50 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 GmbHG eine Gesellschafterversammlung einberufen, sofern ihre Geschäftsanteile zusammen mindestens zehn Prozent des Stammkapitals ausmachen und kein Geschäftsführer vorhanden ist.

Die ordnungsgemäße Einberufung einer solchen Versammlung setzt aber stets voraus, dass tatsächlich alle Gesellschafter geladen wurden. Ist dies nicht der Fall, sind alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nichtig gem. § 241 Nr. 1 i.V.m. § 121 Abs. 4 AktG analog. Dies führt zu der Frage, wer zu laden ist, wenn weiterhin der tote Erblasser in der Gesellschafterliste aufgeführt ist.

 

II. Meinungsstand und Bewertung

Das OLG Karlsruhe hat hierzu in seiner Entscheidung vom 27.04.2022 den Standpunkt vertreten, dass eine ordnungsgemäße Einberufung der Gesellschafterversammlung nicht möglich sei. Nichtexistierende Gesellschafter könnten nicht geladen werden und ohne einen Erbschein sei die Erbfolge und damit auch die Identität der Gesellschafter unbekannt.

Hingegen wird, ausgehend von §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 40 GmbHG vertreten, dass der Erbe zwar durch Gesamtrechtsnachfolge in die materiell-rechtliche Stellung einrückt, gegenüber der Gesellschaft aber erst mit seiner Eintragung in die Gesellschafterliste als Inhaber des Geschäftsanteils gilt (vgl. zum Ganzen auch Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Kapitel 8 Rn. 410 ff). Bis dahin wird der in der Liste eingetragene verstorbene Erblasser weiterhin als relativer Gesellschafter fingiert. Dies gilt auch, wenn er nicht mehr existiert.

Zwar könnte § 16 Abs. 1 GmbHG zu weit gefasst und daher eine teleologische Reduktion vorzunehmen sein. Allerdings geht der Wille des Gesetzgebers klar dahin, dass § 16 Abs. 1 GmbHG bei allen Formen des Anteilsübergangs, also auch bei der Gesamtrechtsnachfolge, gilt. Die Norm soll gerade Transparenz hinsichtlich der Anteilseigner bewirken und Rechtssicherheit schaffen, indem klar geregelt wird, wer im Verhältnis zur Gesellschaft berechtigt und verpflichtet ist. Auch soll die Last einer unklaren Erbfolge nicht auf die Gesellschaft verlagert werden, da alle Rechtshandlungen von und gegenüber unerkannt nicht existenten Gesellschaftern unwirksam wären. Sinnvoll ist diese Regelung weiterhin, wenn der Erblasser durch einen Bevollmächtigten über den Tod hinaus vertreten werden kann. Zwar vertritt ein solcher Vertreter materiell-rechtlich genau genommen die Erben. Nimmt man die Fiktion der Gesellschafterstellung des Erblassers nach § 16 Abs. 1 GmbHG aber ernst, kann der transmortal Bevollmächtigte auch noch für den Vollmachtgeber im Rahmen der Fiktion des § 16 Abs. 1 GmbHG als Vertreter auftreten. Die Vollmacht ermöglicht es also auch nach dessen Tod den formell Legitimierten zu vertreten.

Teilweise wird vertreten, dass eine Ladung des toten Mitgesellschafter nicht mehr möglich ist, wenn subjektive Kenntnis hinsichtlich des Todes besteht. Allerdings sollte diese Kenntnis nicht über die Wirksamkeit einer Ladung und damit über die eventuelle Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses entscheiden. Dogmatisch ist es kaum vertretbar, die Rechtssubjektivität des verstorbenen Gesellschafters davon abhängig zu machen, ob der Geschäftsführer vom Tod weiß. Vorzugswürdig ist vielmehr ein formalisiertes und objektiviertes Vorgehen, das Rechtssicherheit bietet.


III. Fazit

In Abweichung von der Entscheidung des OLG Karlsruhe ist an der klaren Regelung des § 16 Abs. 1 GmbHG festzuhalten. Für die ordnungsgemäße Einberufung einer Gesellschafterversammlung reicht der Versand einer Einladung an die letzte Adresse des verstorbenen Gesellschafters. Selbst bei Vorlage eines Erbscheins muss der Erbe erst geladen werden, wenn er in die Gesellschafterliste eingetragen ist. Irrelevant ist dabei, ob Kenntnis von dem Versterben besteht. Dafür spricht nicht nur der eindeutige Wortlaut, sondern auch der Wille des Gesetzgebers und der Telos der Norm. Eine zusätzliche Ladung und Mitwirkung der Erben bei der Beschlussfassung ist allerdings bis zur abschließenden Klärung der Rechtslage durch den BGH empfehlenswert und unschädlich, da die Ladung und Mitwirkung von Nichtgesellschaftern einen ansonsten wirksamen Beschluss nicht beeinträchtigen.

Bei der letztlichen Beschlussfassung zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers können zumindest durch einen Erbschein zweifelsfrei nachgewiesene Erben auch nach § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG vorgehen: Halten die Erben eine Gesellschafterversammlung ab, in der sie einen Geschäftsführer bestellen, wäre dieser Beschluss zunächst schwebend unwirksam. Sollte aber die von dem neu bestellten Geschäftsführer erstellte und eingereichte Liste im Handelsregister aufgenommen werden, würden die Erben rückwirkend zu relativen Gesellschaftern, die einen wirksamen Geschäftsführerbestellungsbeschluss fassen konnten. Letztlich kommt es darauf an, ob das Registergericht, die vom (noch nicht) Geschäftsführer eingereichte Gesellschafterliste, in das Handelsregister aufnimmt.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Einberufung einer Gesellschaftsversammlung nicht durch eine Vollversammlung oder eine Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren ersetzt werden kann, da in beiden Fällen die Mitwirkung aller Gesellschafter erforderlich ist. Möglich wären solche Verfahren jedoch bei Vorliegen einer trans- oder postmortalen Vollmacht des Verstorbenen.

Die Gesellschafter haben eine Treuepflicht untereinander. Daher sollen sie versuchen, dem Erben, als materiell-rechtlich neuem Gesellschafter, eine Teilnahme an der Gesellschafterversammlung zu ermöglichen und ihn von einer solchen auch dann formlos zu informieren, wenn er noch nicht in die Liste eingetragen wurde. Ist der Erbe hingegen unbekannt, ist ein Nachlasspfleger gem. § 1960 BGB zu bestellen.

 

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