Auswirkungen des zweiten Führungspositionsgesetzes auf das GmbHG

Am 12. August 2021 trat das "Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (FüPoG II) in Kraft.

Das Änderungsgesetz betrifft nicht nur börsennotierte Gesellschaften, sondern auch die GmbH. Anforderungen an die Besetzung von Aufsichtsräten und der Geschäftsführung werden erweitert beziehungsweise modifiziert. Ursprünglich wurde im Jahr 2015 das FüPoG erlassen. Das neue Gesetz knüpft an diese Regelungen an und soll Umgehungsmöglichkeiten und Defizite schließen, die in der Vergangenheit zum Vorschein kamen. Es schafft Begründungspflichten bei der bisherigen Verpflichtung, Zielvorgaben zu setzen, und sieht für Gesellschaften mit staatlicher Beteiligung sogar eine verbindliche Frauenquote vor. Ferner sollen berufliche Nachteile infolge einer „Auszeit“ mithilfe eines Wiedereinstellungsanspruches unterbunden werden.

 

I. Begründungspflichten in Geschäftsführung und Aufsichtsrat (§§ 36, 52 GmbHG)

Das FüPoG I sah ursprünglich vor, dass Unternehmen bzgl. der Beteiligung von Frauen in Führungspositionen Zielgrößen (irgendeine) festlegen sollten. §§ 36, 52 GmbHG n. F. erweitern dies nun um Begründungspflichten für alle börsennotierten oder der Mitbestimmung unterliegenden Unternehmen. Damit soll die Wirksamkeit dieser freiwillig zu setzenden Vorgaben erhöht werden. Knapp 70 % der Unternehmen, die von der flexiblen Frauenquote betroffen waren, gaben bislang für ihre Führungsebene die Zielgröße „null“ (Prozent) Frauen vor und führten das gesetzgeberische Anliegen damit ad absurdum. Dies soll sich durch die Begründungspflichten ändern: der Staat setzt auf ein „Naming und Shaming“ durch Erwartungsdruck aus der Öffentlichkeit.

In der Praxis bedeutet dies: der nach § 289f IV 1 HGB i. V. m. § 289f II Nr. 4 – 5a HGB im Bundesanzeiger zu veröffentlichende Lagebericht muss eine Zielgröße angeben und dessen Zustandekommen erklären. Ferner muss erläutert werden, weshalb eine intendierte Quote ggf. verfehlt wurde. Kleinere GmbHs, die nicht zur Veröffentlichung eines Lageberichtes gehalten sind, müssen eine Quote vereinbaren und dies immerhin mitsamt Erklärung auf der Internetseite des Unternehmens publizieren, § 289f IV 2 HGB. Verstöße können mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro sanktioniert werden.

Dies zeigt eine gewisse Kontinuität. Auch beim zweiten Führungspositionsgesetz setzt der Bund weiter auf den Druck der Allgemeinheit. Dieser Ansatz ist angesichts des verfassungsrechtlichen Spannungsfeldes geboten: einerseits ist die öffentliche Gewalt aufgrund von Art. 3 II GG dazu verpflichtet, aktiv der Benachteiligung von Männern und Frauen entgegenzuwirken und bestehende Nachteile zu beseitigen. Andererseits würden „starre“ Quotenpläne erheblich in die Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12 I GG u. Art. 14 I GG) sowie die Vereinigungsfreiheit von Unternehmern und der Unternehmen selbst eingreifen (Art. 9 I GG). Staatlich verordnete Geschlechterparität wäre aufgrund der hohen Eingriffsintensität verfassungswidrig. Dagegen stellen Begründungspflichten das mildere Mittel dar.

 

II. Geschlechterquote bei Mehrheitsbeteiligung des Bundes (§ 77a GmbHG)

Der Druck auf Unternehmen soll auch durch eine verbindliche Geschlechterquote bei GmbHs mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes zusätzlich aufgebaut werden. Wann eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt, ist in § 77a I GmbHG definiert (insbesondere bei einer Mehrheit der Anteile des Bundes). Nach § 77a II GmbHG muss bei einer GmbH mit mehr als zwei Geschäftsführern, mindestens ein Geschäftsführer eine Frau und mindestens ein Geschäftsführer ein Mann sein. Eine Bestellung, welche diesem Geht zuwider läuft, ist nichtig. Gemäß Abs. 4 der Vorschrift können die Länder dieselben Regeln auf Mehrheitsbeteiligungen durch das jeweilige Land anwenden.

Hintergrund dieser Regelung waren europäische Erwägungen, die jüngst durch einen Vorstoß der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigt wurde: demnach sollen ab Herbst 2022 mindestens 40 Prozent der Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen in der Union mit Frauen besetzt sein. Verglichen damit ist die Regelung des § 77a GmbHG durchaus zurückhaltender. Der Eingriff ist jedenfalls mit dem Grundgesetz vereinbar. Da der Staat allgemein grundrechtsverpflichtet (Art. 1 III GG) und nur in Ausnahmefällen grundrechtsberechtigt ist, käme hier lediglich ein Eingriff in die Berufs- und Eigentumsfreiheit der Minderheits-Anteilseigner sowie der potentiellen Geschäftsführer in Betracht.

 

III. Wiederbestellungsanspruch nach „Auszeit“ (§ 38 GmbHG)

Schließlich sieht das FüPoG eine Änderung des § 38 GmbHG vor. Dieser regelt den Widerruf der Bestellung eines Geschäftsführers. Durch den neu eingefügten Abs. 3 soll sichergestellt werden, dass Geschäftsführer sich eine „Auszeit“ aufgrund von Mutterschutz, Elternzeit oder der Pflege eines Angehörigen i. S. d. PflegeZG nehmen können, ohne Nachteile im Hinblick auf ihre organschaftliche Stellung fürchten zu müssen. Dies gilt allerdings nicht für GmbHs mit Einzelgeschäftsführung, da dort Führungslosigkeit drohte (s. u.).

Nach § 3 MuSchG gilt ein Beschäftigungsverbot für Arbeitnehmer. Zwar fehlt es bei Geschäftsführerinnen meist an der „persönlichen Abhängigkeit“ i. S. d. § 611a I BGB und nach deutschem Recht liegt daher ein Dienstverhältnis vor. Die Anwendbarkeit des MuSchG hängt jedoch vom unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff ab, mithin ob eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung besteht oder nicht. Dies ist bei Fremdgeschäftsführerinnen einer GmbH und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen ohne eingeräumte Sperrminorität der Fall. Damit muss die Beschäftigung nach § 3 MuSchG zwangsläufig niedergelegt werden.

Das Dienstverhältnis zwischen GmbH und der GmbH-Fremdgeschäftsführerin oder Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerin ohne Sperrminorität ist nach dem Trennungsprintzip jedoch streng zu unterscheiden vom Organverhältnis. Im Mutterschutz werden zwar die Hauptleistungspflichten des Dienstvertrags ausgehebelt. Die organschaftlichen Pflichten bleiben einschließlich ihrer Haftungsrisiken jedoch unberührt. Dies führt zu einem Dilemma: entweder die Geschäftsführerin legt ihr Amt nieder oder sie behält es mit der Folge, trotz ruhendem Beschäftigungsverhältnis weiterhin Haftungsgefahren ausgesetzt zu sein.

Eine Lösung dieser „Klemme“ konnte bislang auch nicht über das BEEG erzielt werden. Zwar ermöglicht § 15 BEEG die Inanspruchnahme von Elternzeit. Allerdings knüpft das Gesetz an den deutschen Arbeitnehmerbegriff an. Da es in der Regel an einer Weisungsgebundenheit der Geschäftsführerin fehlt, versagte der Schutzmechanismus bislang an dieser Stelle. Durch § 38 III GmbH erhalten GmbH-Fremdgeschäftsführerinnen und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen ohne Sperrminorität nun einen Widerrufstatbestand in Verbindung mit einem einklagbaren Anspruch auf Wiedereinstellung. Damit können Mütter das Organverhältnis zum Ruhen bringen. Dasselbe gilt für Geschäftsführer, die wegen Elternzeit oder Pflege eines Angehörigen eine Auszeit begehren. Allerdings kann die Gesellschaft das Begehr bei Bestehen eines „wichtigen Grundes“ zu Fall bringen.

Die Regelungen erscheinen begrüßenswert, da sie die Rechte von Betroffenen stärken. Im Hinblick auf unionsrechtliche Standards ist es konsequent, die Rechte werdender Mütter besonders zu schützen. Art. 1 III RL 92/85/EWG enthält ein Verschlechterungsverbot bei Ausschöpfen des Mutterschutzes. Gleichwohl dürfte das Instrument des FüPoG II keine abschließende Lösung sein. Es bleibt ein rechtliches Vakuum bei Alleingeschäftsführerinnen oder GmbHs mit Mehrheitsbeteiligung und Sperrminorität. Dies dürfte weitere Fragen aufwerfen. Möglicherweise könnte man die Lücke durch eine analoge Anwendung schließen. Dabei wäre jedoch Vorsicht geboten, da grundsätzlich das Verbot einer Auslegung contra legem gilt. Womöglich könnte eine unionsrechtskonforme richterliche Rechtsfortbildung Abhilfe schaffen und den Anwendungsbereich des § 38 III GmbHG ausdehnen. Zweifelhaft ist, ob dabei die für eine Analogie erforderliche Planwidrigkeit vorliegt. Bei einer Anwendung auf Alleingeschäftsführer würde eine vorübergehende Führungslosigkeit der Gesellschaft evoziert werden. Eine analoge Anwendung erschiene daher nur bei Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung sinnvoll. Davon abgesehen käme als „elegantere“ Lösung einer einvernehmlichen Ruhensvereinbarung zwischen GmbH und Geschäftsführern in Betracht.

 

IV. Fazit

Das FüPoG II dürfte einen gleichberechtigten Zugang zu Führungspositionen stärken. Fragen bleiben jedoch offen. Das Gesetz geht von einer „binären Geschlechterzuordnung“ aus. Dies könnte zu Unklarheiten im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG führen, da dieses in einer jüngeren Entscheidung das dritte Geschlecht ausdrücklich anerkannte. Zwar geht die herrschende Meinung nach wie vor davon aus, dass sich das Gebot des Art. 3 II GG, aktive staatliche Maßnahmen zu ergreifen, auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau beschränke. Das FüPoG verstößt damit mangels Bezugnahme auf intergeschlechtliche Personen nicht per se gegen das Grundgesetz. Praktische Probleme könnten sich aber aus der Feststellung des Frauen- oder Männeranteils ergeben, wenn sich Geschäftsführer als „divers“ verstehen.

Die Effektivität der neuen Regeln bleibt damit abzuwarten. Nachteile dürften nicht vollumfänglich beseitigt werden. Immerhin nimmt die Begründungspflicht nach § 36 GmbHG n. F. Gesellschaften mehr in die Verantwortung. Positiv anzumerken ist auch der Wiedereinstellungsanspruch nach § 38 III GmbHG. Dadurch kommt es zu einer „Teil-Harmonisierung“ mit der Sperrklausel nach § 3 MuSchG. Nachholbedarf besteht allerdings bei einer rechtlichen Lösung für Alleingesellschafter.

 

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