Änderungen im Recht der Stiefkindadoption seit 2019

1. Die Stiefkindadoption in der nichtehelichen Familie

Durch das „Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien“ wurden zum 31.03.2020 einzelne neue Regelungen zum Adoptionsrecht eingefügt. Das Gesetz ist die Reaktion des Gesetzgebers auf die Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 26.03.2019 – 1 BvR 673/17), in der das Gericht den Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien als mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar bezeichnete. Denn nach § 1755 Abs. 1 S. 1 erlosch nicht nur die Verwandtschaft zur Familie des „außenstehenden“ Elternteils, sondern auch zur Familie des „bleibenden“ Elternteils. Diese Rechtsfolge blieb Stiefkindern von Ehegatten nach § 1755 Abs. 2 BGB dagegen erspart. Dieser Ungleichbehandlung will nun § 1766a BGB abhelfen.

 

a) § 1766a BGB

Die Vorschrift will Personen in verfestigter Lebensgemeinschaft in gemeinsamem Haushalt die Möglichkeit der Adoption eines Kindes ihres Partners (Stiefkindadoption) eröffnen. Die Neuregelung stellt nicht auf die Geschlechter der Partner ab und erfasst damit auch gleichgeschlechtliche Paare. Nicht erfasst ist hingegen die gemeinsame Adoption eines fremden Kinds durch Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Dies ist nur über den umständlichen Weg der Sukzessivadoption gemäß § 1742 BGB möglich, indem zunächst ein Partner allein das fremde Kind annimmt und anschließend der andere Partner das Stiefkind adoptiert.

 

aa) Entsprechende Anwendung der §§ 1741 ff. BGB

§ 1766a BGB erklärt die Vorschriften der §§ 1741 ff. BGB, einschließlich der hinsichtlich Stiefkindadoption bei verheirateten Personen, für entsprechend anwendbar. Der Gesetzgeber ermöglicht damit über § 1741 Abs. 2 S. 3 BGB die Stiefkindadoption in einer nichtehelichen Familie. Auch hier steht die Kindeswohlprüfung im Mittelpunkt gemäß § 1741 Abs. 1 BGB. Der annehmende Partner muss 21 Jahre alt sein, § 1743 S. 1 iVm § 1741 Abs. 2 S. 3 BGB. Der andere Partner muss in die Adoption einwilligen, §§ 1747 Abs. 1 S. 1, 1749 Abs. 1 BGB. § 1749 Abs. 2 BGB läuft ins Leere, da der Begriff der verfestigten Lebensgemeinschaft ein Zusammenleben erfordert. Der Partner, dessen Kind adoptiert wird, behält die elterliche Sorge, § 1751 Abs. 2 BGB. Die Adoption löst Unterhaltsverpflichtungen gemäß § 1751 Abs. 4 S. 2 BGB aus. Das Adoptivkind wird gemeinschaftliches Kind und verliert sein Verwandtschaftsverhältnis zum anderen Elternteil und dessen Verwandten, §§ 1754 Abs. 1 Alt. 2, 1755 Abs. 2 BGB. Das Verwandtschaftsverhältnis zu den Verwandten des anderen Elternteils bleibt bestehen, wenn dieser die elterliche Sorge hatte und verstorben ist, § 1756 Abs. 2 BGB. Die Partner müssen den Geburtsnamen bestimmen, § 1757 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Vorschriften über die Annahme volljähriger Stiefkinder sind entsprechend anwendbar, § 1767 Abs. 2 S. 1 iVm § 1766a BGB.

 

bb) Begriff der verfestigten Lebensgemeinschaft

Eine verfestigte Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt muss nach der Gesetzbegründung eine Lebensgemeinschaft sein, die auf Dauer angelegt ist, daneben grundsätzlich keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. Dabei setzt die Verfestigung in zeitlicher Hinsicht nicht nur das Bestehen der Beziehung bereits über einen längeren Zeitraum in der Vergangenheit voraus, sondern sie enthält mit der Erwartung, sie werde auf Dauer Bestand haben, auch ein in die Zukunft gerichtetes Stabilitätselement. Der Begriff der verfestigten Lebensgemeinschaft wurde aus § 1579 Nr. 2 BGB übernommen, ist jedoch, vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Zwecksetzungen, nicht identisch auszulegen.

Gemäß § 1766a Abs. 2 S. 1 BGB liegt eine verfestigte Lebensgemeinschaft in der Regel vor, wenn die Partner seit mindestens vier Jahren oder als Eltern eines (weiteren) gemeinschaftlichen Kindes mit diesem eheähnlich zusammenleben. Gemäß § 1766a Abs. 2 S. 2 BGB liegt diese in der Regel nicht vor, wenn ein Partner (noch) mit einem Dritten verheiratet ist. Diese Regelbeispiele lassen Raum für außergewöhnliche Konstellationen. So liegt nach der Gesetzbegründung eine verfestigte Lebensgemeinschaft beispielsweise nicht vor, wenn die Beziehung nicht ausschließlich ist. Andererseits kann eine Verfestigung trotz Ehe mit einem Dritten angenommen werden, soweit das Kindeswohl hierunter nicht leidet. Ist der Annehmende mit einem Dritten verheiratet, kann der Annehmende das Kind gemäß § 1766a Abs. 3 BGB nur alleine annehmen und brauch hierfür die Zustimmung des Ehegatten, da dessen erbrechtliche Stellung geschmälert wird. Hinsichtlich der Einwilligung ist § 1749 BGB anwendbar.

 

b) Art. 22 EGBGB

Art. 22 EGBGB bestimmt das auf Adoptionen anwendbare Recht. Art. 22 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. unterschied hierfür zwischen verschiedenen Konstellationen der Adoption. So unterlag die Adoption grundsätzlich dem Recht des Staates, dem der Annehmende bei der Annahme angehörte. Nach neuer Fassung unterliegt die Adoption in Deutschland nunmehr, unabhängig von gewissen Konstellationen, nur noch dem deutschen Recht (lex fori). Hinsichtlich der Annahme im Ausland wird für die Bestimmung des Rechtstatut gemäß Art. 22 Abs. 1 S. 2 EGBGB an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes angeknüpft.

Für die Einwilligungen des Kindes und der Personen, zu denen es in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, gilt nun nicht mehr zusätzlich Art. 23 EGBGB. Gemäß Art. 22 Abs. 2 EGBGB richten sich die Rechtsfolgen der Adoption in Bezug auf das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Kind und dem Annehmenden sowie den Personen, zu denen das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, nach dem nach Art. 22 Abs. 1 EGBGB maßgebenden Recht.

 

2. Pflichtberatung im Vorfeld der Beurkundung und Annahme

Die neuesten Änderungen im Stiefkindadoptionsrecht betreffen den formalen Ablauf des Antragsprozesses. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.04.2021 u. a. das AdVermiG, das AdWirkG und das FamFG geändert. Die Änderungen betreffen zunächst die Adoption minderjähriger Stiefkinder durch einen Ehegatten, gelten aber gemäß § 9a Abs. 5 AdVermiG für die Adoption durch einen nichtehelichen Partner (§ 1766a BGB) entsprechend.

 

a) Pflichtberatung nach § 9 a AdVermiG

Gemäß § 9a Abs. 1 AdVermiG müssen sich die (rechtlichen) Eltern des anzunehmenden Kindes, der Annehmende und das Kind (entsprechend seines Entwicklungsstands) von einer Adoptionsvermittlungsstelle über die Tragweite der Adoption beraten lassen. Die Beratung hat ausdrücklich vor Abgabe der notariellen Erklärungen und Anträge zur Adoption zu erfolgen und muss daher abgeschlossen sein. Eine Beurkundung darf daher erst nach erfolgter Beratung erfolgen. Aufgrund des klaren Wortlauts scheint eine Nachholung der Beratung damit ausgeschlossen.

 

b) Beratungsbescheinigung

Die Adoptionsvermittlungsstelle hat gemäß § 9a Abs. 2 AdVermiG den Beratenen über die Beratung eine Bescheinigung auszustellen. Die Bescheinigung ist zwingende Voraussetzung für die Annahme. Gemäß § 196a FamFG weist das Familiengericht den Antrag auf Annahme als Kind zurück, wenn die gemäß § 9a AdVermiG erforderlichen Bescheinigungen über eine Beratung nicht vorliegen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes geht nicht eindeutig hervor, wann dem Gericht die Beratungsbescheinigung vorliegen muss. Da jedoch der § 9a AdVermiG zwingend eine abgeschlossene Beratung vor der Beurkundung und damit eine gewisse „Zweckdienlichkeit“ der Beratung verlangt, ist wohl vorsichtshalber die Beratungsbescheinigung schon dem Antrag anzufügen. Letztendlich ergibt sich der starre Grundsatz „erst Beratung, dann Beurkundung und gerichtliches Adoptionsverfahren“.

Die Einführung der Beratungsbescheinigung hat auch zur Änderung des § 189 FamFG geführt. Gemäß § 189 Abs. 2 FamFG hat das zur Einholung einer fachlichen Äußerung verpflichtete Familiengericht nunmehr eine Wahl die Äußerung von der Adoptionsvermittlungsstelle einzuholen, die das Kind vermittelt oder den Beratungsschein nach § 9a Abs. 2 des Adoptionsvermittlungsgesetzes ausgestellt hat.

 

c) Ausnahmen von der Pflichtberatung

Gemäß § 9a Abs. 3 AdVermiG ist die Beratung eines Elternteils nicht erforderlich, wenn er zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande ist, sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist, seine Einwilligung nach § 1748 BGB ersetzt wird oder es sich um den abgebenden Elternteil handelt und dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat.

Die Beratungspflicht besteht gemäß § 9a abs. 4 AdVermiG auch nicht, wenn der annehmende Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dem Elternteil des Kindes verheiratet ist. Dieser Ausnahme liegt die Gleichstellung verheirateter Zwei-Frauen-Paare mit verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren zugrunde. Die Beratungspflicht des annehmenden und des verbleibenden Elternteils bleibt bestehen, wenn das Kind im Ausland geboren wurde und der abgebende Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat.

 

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