BGH XII ZB 109/16
Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages bei Unternehmerehe

26.10.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
15.03.2017
XII ZB 109/16
NJW 2017, 1883

Leitsatz | BGH XII ZB 109/16

1. Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags aufgrund einer Gesamtschau der zu den Scheidungsfolgen getroffenen Regelungen im Fall der sog. Unternehmerehe (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13, FamRZ 2014, 629 und Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10, FamRZ 2013, 195).2. Zum Erfordernis eines bestimmten Antrags der Beschwerdebegründung in einer Unterhaltsfolgesache (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 10. Juni 2015 - XII ZB 611/14, FamRZ 2015, 1375 und vom 4. September 2013 - XII ZB 87/12, FamRZ 2013, 1879).


Sachverhalt | BGH XII ZB 109/16

Die Beteiligten schlossen während der Ehe, kurz nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Ende 1995 einen notariellen Ehevertrag. Dort verzichteten die Ehegatten auf nachehelichen Unterhalt, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich. Der Betreuungsunterhalt wurde zeitlich und der Höhe nach beschränkt. Hintergrund war, dass die Mutter des Ehemannes ihrem Sohn Anteile am Familienunternehmen nur übertragen wollte, wenn dieser einen Ehevertrag abschließt. Die Ehefrau hatte keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung und erhielt den Vertrag auch nicht vor Beurkundung. Während der Beurkundung beim Notar bekam sie kein Leseexemplar und ihr noch nicht einen Monat altes Kind war dabei. Zudem wurde im Termin hauptsächlich die Unternehmensumwandlung beurkundet, an der die Ehefrau nicht beteiligt war. Während der Ehe arbeitete die Ehefrau zeitweise als Teilzeitkraft (Sekretärin) im Familienunternehmen. Sie übernahm hauptsächlich die Kindesbetreuung und Haushaltsführung. 1997 wurde bei der Ehefrau Multiple Sklerose diagnostiziert, die dazu führte, dass sie nun zu 100% schwerbehindert ist. Die Ehe wurde durch Beschluss des AG geschieden. Dieses wies den Unterhaltsantrag und die Durchführung eines Versorgungsausgleichs der Ehefrau ab. Das OLG gab der Beschwerde hinsichtlich der Folgesachen statt. Der Ehemann erhob Rechtsbeschwerde mit dem Ziel, den amtsgerichtlichen Beschluss wiederherzustellen.

Entscheidung | BGH XII ZB 109/16

Der BGH verwarf das Rechtsmittel, soweit es sich gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich richtete, da das OLG die Rechtsbeschwerde dahingehend nicht zugelassen hatte.

Hinsichtlich des Unterhaltsanspruches wies der BGH die Rechtsbeschwerde zurück, weil der Ehevertrag, wie das OLG zu Recht annahm, sittenwidrig gem. § 138 BGB sei.

Dies ergebe sich jedoch nicht aus dem Ausschluss der einzelnen Scheidungsfolgen. Isoliert betrachtet sein die getroffenen Vereinbarungen nicht sittenwidrig. Der Betreuungsunterhalt gehöre zum Kernbereich der Scheidungsfolgen. Dieser wurde allerdings nicht ausgeschlossen, sondern nur beschränkt. Auch die Unterhaltsansprüche wegen Alters oder Krankheit gehören zum Kernbereich. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages sei der Ausschluss nicht zu beanstanden. Die Ehefrau sei erst 26 Jahre alt und noch nicht erkrankt gewesen. Ebenso sei der Ausschluss des Versorgungsausgleichs unbedenklich, da er seinerseits noch nicht nachteilig für die Ehefrau gewesen sei. Die Ehefrau hatte höhere gesetzliche Versorgungsanwartschaften erworben, weil der Ehemann selbstständig war und zu diesem Zeitpunkt die betriebliche Altersversorgung nicht dem Versorgungsausgleich unterfiel. Zuletzt sei auch der Ausschluss des Zugewinnausgleichs, da er nicht zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts gehöre und schon von Gesetzes wegen ausdrücklich disponibel sei, isoliert betrachtet nicht sittenwidrig. Im Übrigen sei das legitime Interesse des erwerbstätigen Ehegatten anerkannt, das Vermögen seines selbstständigen Erwerbsbetriebs durch die Vereinbarung der Gütertrennung einem mög-licherweise existenzbedrohenden Zugriff seines Ehegatten im Scheidungsfall zu entziehen und damit nicht nur für sich, sondern auch für die Familie die Lebensgrundlage zu erhalten.

Nach ständiger Rechtsprechung könne sich jedoch ein Ehevertrag in der Gesamtwürdigung als sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielten. Dazu müsse ein Ehegatte in objektiver und subjektiver Hinsicht einseitig benachteiligt werden. Beides liege hier vor. Objektiv sei der Vertrag weit überwiegend zum Nachteil der Ehefrau. Es sei abzusehen gewesen, dass die Ehefrau die wirtschaftlich Schwächere sei. Sie erlitt ehebedingte Einkommens- und Versorgungsnachteile durch die Übernahme der Kinderbetreuung und Haushaltsführung. Außerdem konnte sie nicht an der privaten Altersversorgung partizipieren. Entscheidend sei auch, dass der Ehevertrag erst während der Ehe geschlossen wurde und die Ehefrau somit auf bereits erlangte Rechtspositionen verzichtete, dafür aber keine Kompensation erhielt. Darüber hinaus ergab sich eine subjektive Imparität infolge der Ausnutzung der sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeit. Die Ehefrau wurde weder in die Vertragsgestaltung mit einbezogen, noch hatte sie hinreichend Möglichkeit bei der notariellen Beurkundung noch Einfluss zu nehmen. Da ihr kleines Kind bei der Beurkundung mit anwesend war, sei verständlich, dass sie den Termin, der noch dazu hauptsächlich die nicht sie betreffende Umwandlung zum Inhalt hatte, schnell hinter sich bringen wollte.

In der Gesamtschau komme der Ehevertrag einem kompensationslosen Totalverzicht gleich. Das Interesse der Mutter des Ehemannes den Bestand des Familienunternehmens zu schützen, rechtfertige den Unterhaltsverzicht indes nicht.

Praxishinweis | BGH XII ZB 109/16

Die Entscheidung macht deutlich, dass bei Unternehmereheverträgen immer der gesamte Vertrag im Auge behalten werden sollte. Auch wenn einzelne Regelungen in der Rechtsprechung durchaus als zulässig anerkannt sind, heißt dies nicht, dass der Vertrag insgesamt wirksam ist. Außerdem sollte der Notar sicherstellen, dass beide Parteien in die Vertragsgestaltung und Beurkundung gleichermaßen mit eingebunden werden. Wie der BGH klarstellt, müsse der Ehegatte keine Bedenken äußern oder gar widerwillig unterschreiben, auch der dem Verlangen des überlegenen Ehegatten widerstandlos Folge Leistende, sei durch § 138 BGB geschützt.