OLG Hamm I-8 U 79/16
Ausfallhaftung für Entnahmen durch Mitgesellschafter-Geschäftsführer bei Unterbilanz

07.11.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamm
13.03.2017
I-8 U 79/16
GmbHR 2017, 703

Leitsatz | OLG Hamm I-8 U 79/16

Entnimmt ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH Beträge aus dem Gesellschaftsvermögen bei Vorliegen einer Unterbilanz, kann darin eine verbotswidrige Auszahlung i.S.d. §  30 Abs. 1 GmbHG liegen, auch wenn das Handeln des Gesellschafter-Geschäftsführers als Untreue zu bewerten ist.

Sachverhalt | OLG Hamm I-8 U 79/16

Kläger ist der Insolvenzverwalter der Q-GmbH. Diese bestand aus 2 Gesellschaftern. Mehrheitsgesellschafterin war die Beklagte. Der alleinvertretungsberechtigte und von § 181 BGB befreite Geschäftsführer G war der andere Gesellschafter. Obwohl die Gesellschaft nicht durch Eigenkapital gedeckte erhebliche Fehlbeträge aufwies, tätigte G Barauszahlungen und Zahlungen mit der Firmenkreditkarte, ohne dass er Auskünfte oder Nachweise dafür erbrachte. Die Q-GmbH stellte daraufhin gegen G Strafanzeige. G wurde wegen Untreue in 11 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, die auf Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen G blieb erfolglos. Deshalb geht der Kläger nun gegen die Beklagte vor. Das LG gab der Klage statt.

Entscheidung | OLG Hamm I-8 U 79/16

Das OLG wies die Berufung des Beklagten zurück. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch aus den §§ 30, 31 Abs. 3 GmbHG, 80, 148 InsO. Gem. § 31 Abs. 3 GmbHG haften die übrigen Gesellschafter für verbotswidrige Zahlungen an G, wenn von diesem nichts zu erlangen sei. Eine verbotswidrige Handlung i.S.d. § 30 Abs. 1 GmbHG liege vor, wenn die Auszahlung an G das Vermögen der Gesellschaft in einer Unterbilanz gemindert und dem keine vollwertige Gegenleistung gegenüber gestanden habe. Eine Unterbilanz lag unstreitig vor. Außerdem seien die Zahlungen an G und nicht an Dritte etwa zur Bezahlung von Gesellschaftsschulden erfolgt. Dies habe grundsätzlich der Kläger zu beweisen. Die Beklagte bestreitet hier zwar, dass es sich um Privatauskehrungen und verdeckte Gewinnausschüttungen an G handle, dies sei allerdings widersprüchlich zu ihrem Verhalten im vorangegangenen Strafprozess. Die Beklagte habe selbst die Strafanzeige erstattet. Des Weiteren habe die Beklagte gewusst, dass G keine Belege für die Ausgaben vorgelegt habe. Sie habe im Strafprozess vorgetragen, dass die Abhebungen und Kontobelastungen ausschließlich zu privaten Zwecken des G erfolgt seien. Dies sei darüber hinaus auch belegt. Aus der Strafakte ergebe sich, dass G eingeräumt habe, die Barmittel benötigt zu haben, um seine Spielsucht zu finanzieren. Die Kreditkartenzahlungen tätigte G überwiegend, um an Tankstellen zu privaten Zwecken zu zahlen. Die Leistungen seien auch aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses und nicht im Rahmen einer Drittbeziehung erfolgt, bei der der Gesellschafter der Gesellschaft wie ein unabhängiger Dritter gegenüberstehe. Entscheidend sei, ob das Handeln des Organs in seinen zugewiesenen Wirkungskreis falle. G konnte die verbotenen Zahlungen nur durch seine Stellung erhalten, da er nach außen berechtigt war, die Gesellschaft zu vertreten. Irrelevant sei, wenn er seine Befugnisse im Innenverhältnis überschritten habe. Auch strafbare Handlungen zu Lasten der Gesellschaft seien erfasst. Es handle sich auch nicht um Zahlungen eines Drittgeschäfts, wie beispielsweise die Zahlung des Geschäftsführergehalts. Dazu vorgetragen habe hier niemand. Außerdem sei es G nicht gestattet gewesen, den Pkw privat zu nutzen bzw. privat zu Lasten der Gesellschaft zu betanken. Zuletzt sei die vorrangige Erstattung durch G nicht zu erlangen. 

Praxishinweis | OLG Hamm I-8 U 79/16

Anders hätte der Fall ausgehen, wenn G nicht nur aufgrund seiner Stellung die Zahlungen erlangt hätte. Beispielsweise wenn er nicht gleichzeitig Geschäftsführer gewesen wäre und die Gesellschaft bestohlen oder Gesellschaftsvermögen unterschlagen hätte, denn dann hätte er wie ein außenstehender Dritter gehandelt (so das OLG).